§ 91 ZPO; § 15 RVG

Leitsatz

Wird ein Verfahren getrennt und im verbliebenen Verfahren eine Kostenentscheidung getroffen, dann sind nach dieser Kostenentscheidung nur die Kosten nach dem Wert des verbliebenen Verfahrens erstattungsfähig.

VG Bayreuth, Beschl. v. 24.3.2021 – B 1 M 20.74

I. Sachverhalt

Die Kläger hatten zunächst im Verfahren B 1 K 16… beantragt, die Beklagte zu verpflichten, Rohrleitungen zu entfernen, Grenzsteine wiederherzustellen und festzustellen, dass die Kläger berechtigt seien, den auf ihrem Grundstück verlaufenden Weg zu sperren.

Nach einem Ortstermin wurde zunächst das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Später wurde das Verfahren, nunmehr unter dem Aktenzeichen B 1 K 18… wieder aufgenommen und am 14.5.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei wurde der Klageantrag zu 2) auf Wiederherstellung der Grenzsteine abgetrennt unter dem Verfahren B 1 K 19…4 weitergeführt. Der Anspruch auf Sperrung des Weges wurde nach Abtrennung unter dem Aktenzeichen B 1 K 19…5 weitergeführt. Die verbliebene Klage auf Entfernung der Rohrleitungen wurde schließlich abgewiesen. Der Streitwert in diesem Verfahren wurde auf 40.000,00 EUR vor der Abtrennung und auf 30.000,00 EUR für danach festgesetzt. Dabei ist das Gericht hinsichtlich des Klageantrags zu 1) (Entfernung der Rohrleitungen) von einem Streitwert von 30.000,00 EUR ausgegangen und hinsichtlich der abtrennten Klageanträge (Wiederherstellung der Grenzsteine und Sperrung des Weges) jeweils vom Regelstreitwert i.H.v. 5.000,00 EUR. Daraufhin beantragte die Beklagte die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten in dem Verfahren B 1 K 18… und zwar wie folgt:

 
 
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 1.316,90 EUR
(Wert: 40.000,00 EUR)  
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 1.215,60 EUR
(Wert: 40.000,00 EUR)  
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Zwischensumme 2.552,50 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 484,98 EUR
Gesamt 3.037,48 EUR

Diese Kosten wurden antragsgemäß festgesetzt. Hierzu führte das Gericht aus, dass Verfahrens- und Terminsgebühr schon vor Abtrennung entstanden seien und der Streitwert insoweit auf 40.000,00 EUR festgesetzt worden sei, sodass die Gebühren angefallen seien. Hiergegen legten die Kläger Erinnerung ein. Sie begründeten diese damit, dass die Urkundsbeamtin außer Acht gelassen habe, dass lediglich über den Streitgegenstand entschieden worden sei, den das Gericht mit 30.000,00 EUR beziffert habe. Über die restlichen Streitgegenstände sei nicht entschieden worden.

Das VG hat der Erinnerung stattgegeben.

II. Festsetzung nur der Kosten des verbliebenen Verfahrens

Nachdem in der vorliegenden Sache eine Kostenfestsetzung gem. § 164 VwGO angegriffen wird, handelt es sich bei der Erinnerung im Ausgangsverfahren Az. B 1 K 18.... um eine solche nach § 165 i.V.m. § 151 VwGO, über die durch die Kammer zu entscheiden ist, da die Kostengrundentscheidung ebenfalls von dieser getroffen wurde (vgl. z.B. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., 2019, § 165 Rn 7; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., 2016, § 165 Rn 3).

Streitig ist, ob für die Berechnung der Verfahrens- und Terminsgebühr von dem vor Trennung der einzelnen Verfahren festgesetzten Streitwert von 40.000,00 EUR auszugehen ist, oder ob der für das vorliegende Verfahren B 1 K 18.... nach Abtrennung der weiteren Klagegegenstände (Verfahren B 1 K 19....4 und B 1 K 19....5) festgesetzte Streitwert von 30.000,00 EUR maßgeblich ist.

Fraglich ist damit, wie sich die Abtrennung einzelner Streitgegenstände auf die Berechnungsgrundlage auswirkt.

Im Falle einer Abtrennung gehen zwar die bereits vor der Trennung entstandenen Gebühren nicht wieder unter. Von der Trennung an fallen jedoch die Gebühren in Bezug auf die nunmehr verselbstständigten Verfahren nochmals an. Dies gilt für das unter dem alten Aktenzeichen fortgeführte Verfahren in gleicher Weise wie für die mit neuen Aktenzeichen abgetrennten Verfahren. § 15 Abs. 2 RVG steht der Berücksichtigung der nach Trennung entstandenen Verfahrensgebühren nicht entgegen. Er hindert lediglich die kumulative Forderung von (anteiliger) Gesamtgebühr und Einzelgebühr.

Hinsichtlich der konkreten Berechnung der jeweiligen Gebühren hat der BayVGH in seiner früheren Rspr. (vgl. Beschl. v. 30.1.2007 – 25 C 07.161 und Beschl. v. 28.5.2001 – 23 C 01.1049) die Ansicht vertreten, dass zwingend der Anteil des jeweiligen Verfahrens am Gesamtstreitwert zu ermitteln und hieraus die anteilige Gebühr zu berechnen sei. Hieran wird nicht mehr festgehalten. Vielmehr kann der Bevollmächtigte wählen, ob er die Gebühren aus dem anteiligen Gesamtstreitwert vor der Trennung oder die Gebühr aus dem Einzelstreitwert nach Trennung der Verfahren fordert (vgl. BayVGH, Beschl. v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn 21 m.w.N., insbesondere unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 4.9.2000 – 9 KSt 10.09, RVGreport 2010, 60; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., 2019, VV 3100 Rn 61 ff., m.w.N.).

Die Telekommunikationspauschale ist jeweils ungekürzt anzusetzen, da durch die Trennung mit dem vorliegenden und den abgetrennten Verfahren rechtlich selbstständige Verfahren entstanden sind (vgl. BayVGH, B...

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