Der angefochtene Beschluss des LG ist aufzuheben, weil der Pflichtverteidiger mangels einer Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe keinen Anspruch auf Erstattung der Gebühr für das Adhäsionsverfahren nach Nr. 4143 VV gegen die Staatskasse hat.

Der 2. Strafsenat des Brandenburgischen OLG hat die streitige Rechtsfrage, ob die Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidigers gleichzeitig die Tätigkeit im Adhäsionsverfahren mit umfasst, am 29.4.2008 in dem Verfahren 2 Ws 59/08–22 KLs 25/06 LG Cottbus wie folgt entschieden:

"1. Der Umfang des Vergütungsanspruchs des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse bestimmt sich gem. § 48 Abs. 1 RVG nach dem Inhalt der gerichtlichen Beschlüsse, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Pflichtverteidigers für das Adhäsionsverfahren gem. § 404 Abs. 5 S. 1 StPO hat der Angeklagte nicht gestellt; eine entsprechende Entscheidung ist deshalb auch nicht ergangen. Für das Bestehen des geltend gemachten Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse kommt es daher darauf an, ob sich dessen Bestellung zum Pflichtverteidiger gem. §§ 140, 141 StPO auch auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren erstreckt.

Die vorstehende Frage wurde und wird von der obergerichtlichen Rspr. und der Lit. sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten des RVG unterschiedlich beantwortet (bejahend – die Bestellung zum Pflichtverteidiger erstrecke sich auch auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren – OLG Dresden, Beschl. v. 13.6.2007, AGS 2007, 404; OLG Hamburg, Beschl. v. 29.7.2005, NStZ-RR 2006, 347 und OLG Köln, Beschl. v. 29.6.2005, StraFo 2005, 394 [= AGS 2005, 436]; zur Gesetzeslage vor Inkrafttreten des RVG OLG Hamm, Beschl. v. 31.5.2001, StraFo 2001, 361 sowie OLG Schleswig, Beschl. v. 30.7.1997, NStZ 1998, 101; entsprechend KK-Laufhütte, StPO, 5. Aufl., § 140 Rn 4; Wohlers in SK-StPO, § 141 Rn 20; Julius in Heidelberger Kommentar zur StPO, § 141 Rn 11; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 140 Rn 5; die gegenteilige Auffassung wird vertreten vom OLG Celle, Beschl. v. 6.11.2007, RVGreport 2008, 102 [= AGS 2008, 229], und OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.9.2006, JurBüro 2006, 643; zur Gesetzeslage vor Inkrafttreten des RVG vom OLG München, Beschl. v. 26.11.2001, StV 2004, 38, und vom OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.6.1999, StV 2000, 433; entsprechend Gebauer/Schneider, RVG, 3. Aufl., VV 4143 bis 4144 Rn 46).

Eine Entscheidung des BGH ist – soweit dem Senat bekannt – zu dieser Frage bisher nicht ergangen. Der BGH hat jedoch (mit Beschl. v. 30.3.2001, NJW 2001, 2486) entschieden, dass sich die Bestellung eines Beistandes für den Nebenkläger gem. § 397a Abs. 1 StPO nicht auf das Adhäsionsverfahren erstreckt und diese Entscheidung mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der §§ 397a Abs. 1 StPO, 102 BRAGO sowie den Gesetzeszweck des § 404 Abs. 5 StPO begründet. Zum letztgenannten Gesichtspunkt enthält die Entscheidung den Hinweis, dass durch die in § 404 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 114 ZPO getroffene Regelung verhindert werden solle, dass die Staatskasse mit Gebührenansprüchen belastet wird, die durch das Einklagen nicht bestehender oder überhöhter Ersatzansprüche im Adhäsionsverfahren entstehen. Dem könnte aber nicht mehr vorgebeugt werden, wenn der dem Nebenkläger nach § 397a Abs. 1 StPO bestellte anwaltliche Beistand ohne weitere gerichtliche Prüfung auch im Adhäsionsverfahren für den Nebenkläger auftreten und für diesen jegliche Forderungen ohne Rücksicht auf deren Erfolgsaussicht geltend machen könnte sowie hierfür anschließend aus der Staatskasse entschädigt würde (Zitat BGH a.a.O., 2487). In der genannten Entscheidung hat der BGH die zum damaligen Zeitpunkt bereits vertretene Ansicht, dass sich die Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren erstrecke, aufgegriffen und ausdrücklich offen gelassen, ob ihr "wegen der engen tatsächlichen und rechtlichen Verbindung zwischen der Verteidigung des Angeklagten gegen die ihm vorgeworfene Straftat und der Abwehr der auf diese Straftat gestützten zivilrechtlichen Ersatz- oder Schmerzensgeldansprüche des Verletzten" zu folgen sei.

2.  Für die Auffassung, die Pflichtverteidigerbestellung erstrecke sich auch auf das Adhäsionsverfahren, werden im Wesentlichen die folgenden Argumente vorgebracht:

Die Beiordnung des Pflichtverteidigers gelte für das gesamte Strafverfahren. Ebenso wie damit die Tätigkeiten des Verteidigers im Wiederaufnahmeverfahren umfasst sind, müsse dies auch für das Adhäsionsverfahren gelten. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber das Gegenteil ausdrücklich bestimmen müssen. Es komme hinzu, dass der Pflichtverteidiger dem Angeklagten beigeordnet werde, um sich gegenüber dem im Strafverfahren geltend gemachten staatlichen Strafanspruch verteidigen zu können. Warum dieser dann den Angeklagten nicht ohne ausdrückliche weitere Bestellung auch ge...

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