Erstinstanzlich gilt Nr. 4143 VV

Werden im erstinstanzlichen Verfahren vor dem AG vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seines Erben geltend gemacht, erhält der Anwalt zusätzlich zu den sonstigen Gebühren eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV. Eine Ermäßigung dieser Gebühr bei vorzeitiger Erledigung ist im Gegensatz zu den Gebühren nach Teil 3 VV (z.B. Nr. 3101 Nr. 1 VV) nicht vorgesehen.

 

Beispiel 1: Adhäsionsverfahren

Im Strafverfahren macht der Verletzte einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.000,00 EUR geltend. Es kommt zur Hauptverhandlung, in der der Angeklagte auch zur Zahlung des Schmerzensgelds verurteilt wird.

Neben den sonstigen Gebühren entsteht eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV aus dem Wert der geltend gemachten Ansprüche.

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
3. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   275,00 EUR
4. 2,0-Verfahrensgebühr, Nr. 4143 VV (Wert: 3.000,00 EUR)   402,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.062,00 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   201,78 EUR
Gesamt 1.263,78 EUR

Eine Angelegenheit bei mehreren Verletzten

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber in demselben gerichtlichen Verfahren, so liegt nur eine Angelegenheit vor, sodass die Gebühren nur einmal berechnet werden können (OLG Düsseldorf AGS 2014, 176 = RVGreport 2014, 227 = RVGprof. 2014, 115; OLG Dresden AGS 2009, 325 = RVGreport 2009, 341). Die Abrechnung hängt davon ab, ob die Adhäsionskläger verschiedene Ansprüche erheben oder denselben Anspruch geltend machen.

 

Beispiel 2: Vertretung zweier Nebenkläger mit Adhäsionsverfahren, derselbe Gegenstand

Die beiden hinterbliebenen Kinder schließen sich im Verfahren vor dem AG gegen den Angeklagten wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung als Nebenkläger der öffentlichen Klage an. Gleichzeitig machen sie in ungeteilter Erbengemeinschaft übergegangene Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche in Höhe von 4.000,00 EUR geltend.

Zu der Grundgebühr, der nach Nr. 1008 VV erhöhten Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr kommt jetzt noch eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV hinzu. Da die beiden hinterbliebenen Kinder in ungeteilter Erbengemeinschaft handeln, ist der Gegenstand derselbe, sodass sich die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV auf 2,3 erhöht.

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nrn. 4106, 1008 VV   214,50 EUR
3. 2,3-Verfahrensgebühr, Nrn. 4143, 1008 VV (Wert: 4.000,00 EUR)   579,60 EUR
4. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   275,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.289,10 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   244,93 EUR
Gesamt 1.534,03 EUR
 

Beispiel 3: Vertretung zweier Nebenkläger mit Adhäsionsverfahren, verschiedene Gegenstände

Der Angeklagte ist wegen zweier verschiedener Körperverletzungen an A und an B angeklagt. A und B beauftragen denselben Anwalt, Nebenklage zu erheben und jeweils ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 EUR im Wege des Adhäsionsverfahrens einzuklagen. Es findet ein Hauptverhandlungstermin statt.

Zu der Grundgebühr, der nach Nr. 1008 VV erhöhten Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr kommt auch hier eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV hinzu. Da jeder der Verletzten ein eigenes Schmerzensgeld verlangt, handelt es sich um verschiedene Gegenstände. Eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV kommt insoweit also nicht in Betracht. Vielmehr sind die Werte der beiden Forderungen nach § 22 Abs. 1 RVG zu addieren (OLG Düsseldorf AGS 2014, 176 = RVGreport 2014, 227 = RVGprof. 2014, 115; OLG Dresden AGS 2009, 325 = RVGreport 2009, 341).

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nrn. 4106, 1008 VV   214,50 EUR
3. 2,0-Verfahrensgebühr, Nr. 4143 VV (Wert: 8.000,00 EUR)   912,00 EUR
4. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   275,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.621,50 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   308,09 EUR
Gesamt 1.929,59 EUR

Einigungsgebühr ist möglich

Kommt es zu einer Einigung über die zivilrechtlichen Ansprüche, entsteht auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV. Deren Höhe hängt davon ab, ob die Ansprüche anhängig sind oder nicht.

Soweit es sich um Ansprüche handelt, die im Adhäsionsverfahren geltend gemacht sind, erhält der Anwalt eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV (OLG Köln AGS 2009, 29 = RVGreport 2009, 465). Dazu reicht es gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV bereits aus, dass Prozesskostenhilfe für die beabsichtigten Ansprüche beantragt ist (OLG Jena AGS 2009, 587 = NJW 2010, 455 = JurBüro 2010, 82 = Rpfleger 2010, 235 = RVGprof. 2010, 4 = RVGreport 2010, 106).
Soweit eine Einigung über Ansprüche getroffen wird, die nicht anhängig sind, erhält der Anwalt die 1,5-Einigungsgebühr der Nr. 1000 VV. Die gegenteilige Auffassung des OLG Nürnberg (AGS 2014, 18 = AnwBl 2014, 93 = JurBüro 2014, 135 = RVGreport 2014, 72 = NStZ-RR 2014, 63 = RVGprof. 2014, 97) ist unzutreffend.
Soweit eine Einigung über...

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