I. Überblick

Verfahren nach Zurückverweisung ist grundsätzlich neue Angelegenheit

Wird ein Rechtsstreit von einem Rechtsmittelgericht an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen (sog. Vertikalverweisung), so gilt das Verfahren nach Zurückverweisung als neue Angelegenheit (§ 21 Abs. 1 RVG). Hier können also drei Angelegenheiten vorliegen, nämlich

das Ausgangsverfahren,
das Rechtsmittelverfahren und
das Verfahren nach Zurückverweisung.

Gebührenanrechnung in Teil 3 VV beachten

In Verfahren nach Teil 3 VV ist dabei allerdings die Anrechnungsbestimmung der Vorbem. 3 Abs. 6 VV zu berücksichtigen. Die Verfahrensgebühr des Verfahrens vor Zurückverweisung wird auf die Verfahrensgebühr des Verfahrens nach Zurückverweisung angerechnet, wenn an ein Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache bereits befasst war.

Keine Anrechnung in anderen Verfahren

In anderen Angelegenheiten, also in Strafsachen (Teil 4 VV), Bußgeldsachen (Teil 5 VV) und in Verfahren nach Teil 6 VV findet eine Anrechnung dagegen nicht statt.

Sonderregelung für Scheidungsverfahren

Eine Sonderregelung findet sich in § 21 Abs. 2 RVG für Scheidungsverfahren, wenn das FamG den Scheidungsantrag zurückgewiesen hat, das OLG ihn aber für begründet hält.

II. Verfahren nach Teil 3 VV (außer Scheidungsverfahren)

Hebt ein Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung auf und verweist es das Verfahren an das vorinstanzliche Gericht zurück, so dass dies über die Sache neu entscheiden muss, liegt ein Fall des § 21 Abs. 1 RVG vor. Zu den einzelnen Anwendungsfällen des § 21 Abs. 1 RVG siehe AnwK-RVG/N. Schneider, § 21 Rn 24 ff.

Alle Gebühren und Auslagen entstehen erneut

Das Verfahren nach Zurückverweisung ist eine dann neue Angelegenheit, in der alle Gebühren und Auslagen (einschließlich der Postentgeltpauschale) erneut entstehen können. Lediglich hinsichtlich der Verfahrensgebühr ist eine Anrechnung vorgesehen (Vorbem. 3 Abs. 6 VV), wenn an ein Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache bereits befasst war.

 

Beispiel 1: Zurückverweisung durch ein Rechtsmittelgericht

Das LG hatte den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 10.000,00 EUR verurteilt. Auf die Berufung hebt das OLG das Urteil des LG auf und verweist die Sache an das LG zur erneuten Entscheidung zurück.

Das Verfahren nach Zurückverweisung stellt eine neue Angelegenheit dar (§ 21 Abs. 1 RVG). Allerdings wird die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Verfahrens nach Zurückverweisung angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 6 VV).

I. Verfahren vor Zurückverweisung

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   725,40 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   669,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.415,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   268,85 EUR
Gesamt 1.638,85 EUR

II. Verfahren nach Zurückverweisung

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   725,40 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 6 VV anzurechnen, 1,3 aus 10.000,00 EUR   – 725,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   669,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 689,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   131,02 EUR
Gesamt 820,62 EUR

Zurückverweisung bei Aufhebung durch ein Verfassungsgericht

Eine Zurückverweisung i.S.d. § 21 Abs. 1 RVG liegt auch dann vor, wenn ein Verfassungsgericht die Entscheidung eines ordentlichen Gerichts aufhebt und die Sache an dieses zurückverweist. Das weitere Verfahren vor diesem Gericht ist dann auch ein neuer Rechtszug (BGH AGS 2013, 453 = MDR 2013, 1376 = NJW 2013, 3453 = AnwBl 2013, 939 = Rpfleger 2014, 45 = JurBüro 2014, 20 = ZfBR 2014, 41 = DVBl 2014, 63 = BayVBl 2014, 250 = NJW-Spezial 2013, 701 = ZIP 2013, 2284 = RVGreport 2013, 465 = StRR 2013, 443 = RVGprof. 2014, 2 = FF 2014).

 

Beispiel 2: Zurückverweisung durch ein Verfassungsgericht

Das OLG hatte die Berufung (Streitwert 10.000,00 EUR) zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Rückgabe an das OLG zur erneuten Entscheidung.

Das Verfahren nach Zurückverweisung stellt eine neue Angelegenheit dar (§ 21 Abs. 1 RVG). Allerdings wird die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Verfahrens nach Zurückverweisung angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 6 VV).

I. Berufungsverfahren vor Zurückverweisung

 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   892,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   669,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.609,40 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   305,79 EUR
Gesamt 1.915,19 EUR

II. Verfahren nach Zurückverweisung

 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   892,80 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 6 VV anzurechnen, 1,3 aus 10.000,00 EUR   – 892,80 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   669,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 689,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   131,02 EUR
Gesamt 820,62 EUR

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