Leitsatz

Eine Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und die in einem Vergleich die Verpflichtung, Gerichtskosten zu tragen, übernimmt, ist nicht von § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO geschützt, es sei denn, auch dem Prozessgegner ist ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden (Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung des Senats entgegen der Auffassung des 3. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt).

OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.2012 – 18 W 217/12

1 I. Der Fall

Der Beschwerdegegner hatte vor dem LG eine Zahlungsklage erhoben. Ihm wurde ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Anwalts bewilligt. Anschließend wurde ein Vergleich geschlossen. Dieser sieht unter anderem die Aufhebung der Kosten vor. Daraufhin hat die Gerichtskasse eine Kostenrechnung in Höhe einer hälftigen Gerichtsgebühr nach Nr. 1211 GKG-KostVerz. zu Lasten des Beschwerdeführers erstellt. Gegen diesen Kostenansatz hat der Beschwerdeführer Erinnerung erhoben, der das LG abgeholfen und die Kostenrechnung aufgehoben hat.

Hiergegen hat der Bezirksrevisor die vom LG zugelassene Beschwerde erhoben, der das LG nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde hatte Erfolg.

2 II. Die Entscheidung

Kläger haftet als Übernahmeschuldner

Aufgrund des Prozessvergleichs hatte sich die nach Nr. 1210 GKG-KostVerz. zunächst entstandene 3,0-Gebühr für das gerichtliche Verfahren nach Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. auf den einfachen Gebührensatz reduziert. Der Kläger ist nach § 29 Nr. 2 GKG sog. Übernahmeschuldner der hälftigen Gerichtsgebühr, die mit 98,00 EUR zutreffend berechnet worden ist.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat zwar gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO zur Folge, dass die Gerichtskosten gegenüber dem Kläger nur nach Maßgabe gerichtlicher Anordnung geltend gemacht werden können. Eine derartige Anordnung liegt nicht vor, denn dem Kläger ist ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

Befreiung nach § 122 ZPO greift nicht

Die Regelung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO findet aber in der vorliegenden Fallgestaltung zugunsten des Klägers keine Anwendung (so bereits Beschluss des Senats: OLG Frankfurt NJW 2011, 2147; AG 2011, 545; Senatsbeschl. v. 27.9.2012 – 18 W 162/12). Der Anwendungsbereich des § 122 Abs. 1 Nr. 1 Bucht. a) ZPO ist unter Berücksichtigung des in § 31 Abs. 3 GKG niedergelegten Rechtsgedankens einzuschränken. Diese Vorschrift bezweckt den Schutz der bedürftigen Partei, die an sich gem. § 123 ZPO auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Kostenerstattungsanspruch des Gegners ausgesetzt ist. Um diese Inanspruchnahme bezüglich der Gerichtskosten zu verhindern, bestimmt § 31 Abs. 3 GKG, dass die Gerichtskostenhaftung der vermögenden Partei nicht geltend gemacht werden darf. Ihr gegenüber bereits erhobene Kosten sind zurückzuerstatten. Auch hier ist der Anwendungsbereich der Vorschrift ausdrücklich auf den Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG) beschränkt, sodass der Übernahmeschuldner (§ 29 Nr. 2 GKG) nicht geschützt wird.

 

§ 31 Mehrere Kostenschuldner

(3) Soweit einem Kostenschuldner, der aufgrund von § 29 Nr. 1 haftet (Entscheidungsschuldner), Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, darf die Haftung eines anderen Kostenschuldners nicht geltend gemacht werden; von diesem bereits erhobene Kosten sind zurückzuzahlen, soweit es sich nicht um eine Zahlung nach § 13 Abs. 1 und 3 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes handelt und die Partei, der die Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, der besonderen Vergütung zugestimmt hat. Die Haftung eines anderen Kostenschuldners darf auch nicht geltend gemacht werden, soweit dem Entscheidungsschuldner ein Betrag für die Reise zum Ort einer Verhandlung, Vernehmung oder Untersuchung und für die Rückreise gewährt worden ist.

Missbrauch soll verhindert werden

Diese Beschränkung des Anwendungsbereichs ist sachgerecht. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Parteien missbräuchlich eine im Ergebnis für die Staatskasse nachteilige Kostenfolge vereinbaren (BVerfG NJW 2000, 3271; NJW 1979, 2608).

Bedürftige Partei kann die Rechtsfolge abwenden

Hinzu kommt, dass es die bedürftige Partei selbst in der Hand hat, sich zum Übernahmeschuldner i.S.v. § 29 Nr. 2 GKG zu machen oder Entscheidungsschuldner zu werden. Wenn die bedürftige Partei sich selbst freiwillig zum Übernahmeschuldner macht, muss sie auch die Konsequenzen tragen, sodass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist (BVerfG NJW 2000, 3271).

Anders bei beiderseitiger ratenfreier PKH

Anders läge der Fall, wenn eine Missbrauchsgefahr nicht besteht, weil beiden Parteien ratenfrei Prozesskostenhilfe gewährt worden wäre (vgl. den Senatsbeschl. NJW-RR 2012, 318 sowie OLG Rostock JurBüro 2010, 147). Dies war hier aber nicht der Fall.

Diese einschränkende Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO konterkariert die vom Gesetzgeber gewollte Förderung gütlicher Einigungen nicht. Es bleibt der bedürftigen Partei unbenommen, hinsichtlich der Hauptsache einen Vergleich abzuschließen und bezüglich der Kosten eine Entscheidung des Gerichts nach § 91a ZPO

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