Leitsatz (amtlich)

Versorgungsunternehmen dürfen den Verbrauch wegen Unmöglichkeit einer Ablesung erst schätzen, wenn zwei mindestens eine Woche zuvor angekündige Ableseversuche und die Androhung einer Verbrauchsschätzung erfolglos geblieben sind.

 

Normenkette

GG Art. 13; ZPO §§ 91 a, 253; BGB § 241 Abs. 2, § 433; NDAV § 21 S. 1, § 24 Abs. 3; GasGVV § 9 S. 3, § 11 Abs. 3, §§ 17, 19 Abs. 2

 

Tenor

In dem Rechtsstreit

...

wird der Beschwerde der Klägerin vom 19.10.2011 nicht abgeholfen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin hat auf Zahlung von Entgelten aus einem Vertrag über die Lieferung von Gas sowie auf Duldung der Unterbrechung der Gasversorgung geklagt. Wegen der Einzelheiten und der gestellten Anträge wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin ist ein Gasversorgungsunternehmen und für die Grundversorgung mit Gas in Marne zuständig. Netzbetreiber ist die [...] AG.

Die Parteien schlossen einen Vertrag über die Versorgung des Beklagten mit Gas im Rahmen der Grundversorgung. Unter dem 26.01.2011 übersandte die Klägerin dem Beklagten eine Jahresverbrauchsabrechnung über 2.372,44 Euro. Mit Schreiben vom 07.03.2011 mahnte die Klägerin die Zahlung des Betrags an. Unter dem 21.03.2011 drohte die Klägerin dem Beklagten die Unterbrechung der Gasversorgung an. Unter dem 21.04.2011 kündigte die Klägerin die Unterbrechung der Gasversorgung am 26.04.2011 an. Am 26.04.2011 ermöglichte der Beklagte die Unterbrechung jedoch nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers den Zutritt zu dem Gaszähler Nr. [...] in der Verbrauchsstelle [...] zu gewähren und die Unterbrechung der Gasversorgung durch den Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers zu dulden.

Nach Klagezustellung hat der Beklagte die Zahlungsforderungen der Klägerin erfüllt. Daraufhin haben die Parteien die Klage für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 27.09.2011, der Klägerin zugestellt am 06.10.2011, sind die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben worden.

Mit ihrer am 19.10.2011 eingegangenen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen diese Kostenentscheidung. Zur Begründung lässt die Klägerin anführen, dem Außendienstmitarbeiter sei kein Zugang zur Ablesung ermöglicht worden. Zudem habe der Beklagte eine angeforderte Selbstablesung nicht vorgenommen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Klage begründet gewesen sei.

II.

Der zulässigen Beschwerde der Klägerin war nicht abzuhelfen. Die Klage der Klägerin war nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärung nicht zulässig und begründet, jedenfalls nicht vor der Klärung schwieriger Rechtsfragen, welche im Verfahren nach § 91a ZPO nicht entschieden werden müssen.

1. Die Klage war bereits unzulässig (§ 253 ZPO), weil der Klageantrag den Netzbetreiber nicht bezeichnete, welcher Zutritt erhalten sollte. Eine Verurteilung zur Duldung des Betretens einer Wohnung stellt einen Eingriff in Art. 13 GG dar und verlangt eine abgrenzbare Bezeichnung der Personen, welchen das Betreten ermöglicht werden soll.

2. Die Klage war auch unbegründet. Die Klägerin konnte vom Beklagten nicht verlangen, dass dieser einem Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers Zutritt zu dem streitgegenständlichen Gaszähler gewährt. Als Anspruchsgrundlage in Betracht kamen einzig die §§ 21 S. 1, 24 Abs. 3 NDAV i.V.m. § 19 Abs. 2 GasGVV. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften lagen im Zeitpunkt der Erledigungserklärung aber nicht vor.

a) Die Klägerin hatte bereits keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich schlüssig ergeben hätte, dass der Beklagte eine Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt habe (§ 19 Abs. 2 GasGVV). Zwar haben die Parteien nach dem Vortrag der Klägerin einen Vertrag über die Lieferung von Gas an den Beklagten geschlossen. Aus einem solchen Liefervertrag kann die Klägerin aber nur die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises verlangen (§ 433 Abs. 2 BGB). Welchen Gaspreis die Parteien vereinbart haben, hat die Klägerin nicht dargetan. Die Klägerin legt zwar eine Abrechnung vor. Einer Rechnung lässt sich aber nicht entnehmen, ob sie der vertraglichen Preisvereinbarung der Parteien entspricht. Die Entnahme von Gas kann zwar als Einverständnis mit den allgemeinen Grundversorgungspreisen ausgelegt werden. Die Klägerin hat aber auch richterliche Nachfrage nicht dargetan, ob es sich bei dem abgerechneten Tarif "Klassik Gas"um allgemeine Preise für die Versorgung jedes Haushaltskunden in Marne mit Niederdruck handelte.

Einem Anspruch aus § 433 BGB steht ferner entgegen, dass die Klägerin auch auf richterlichen Hinweis nicht dargetan hat, ob die abgerechneten Energiemengen tatsächlich an den vertragsgegenständlichen Anschluss geliefert und dort entnommen worden sind. Die Klägerin legt zwar eine Abrechnung vor. Einer Rechnung lässt sich aber nicht entnehmen, ob sie die tatsächliche Liefermenge zutreffend wiedergibt. Der Rechnung ist überdies ein "errechneter", also von der Klägerin geschätzter Verbrauch zugrunde gelegt worden. Eine Verbrauchsschätzung muss si...

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