Entscheidungsstichwort (Thema)

Kind

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 18.07.2006; Aktenzeichen 1 BvR 1465/05)

BVerfG (Beschluss vom 22.07.2005; Aktenzeichen 1 BvR 1465/05)

 

Tenor

1.) Der Antragsgegner ist verpflichtet, das Kind …, unverzüglich nach … in den Bezirk des Gerichts Marche … zurückzuführen.

2.) Kommt der Antragsgegner der Verpflichtung gemäß Ziffer 1) nicht bis zum 15.12.2004 nach, so ist er verpflichtet, das Kind an die Antragstellerin oder eine von ihr bestimmte Person zum Zwecke der Rückführung nach Belgien herauszugeben.

3.) Dem Antragsgegner wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus diesem Beschluss die Auferlegung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 EUR, ferner die Festsetzung von Zwangshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

4.) Zum Vollzug von Ziffer 2) wird angeordnet:

  1. Der Vollstreckungsbeamte wird ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabe unmittelbaren Zwang anzuwenden;
  2. der Vollstreckungsbeamte wird zum Betreten und zur Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners in Rascheid ermächtigt;
  3. der Vollstreckungsbeamte wird zur Hinzuziehung polizeilicher Vollzugsorgane ermächtigt;
  4. das Jugendamt des Kreises … wird damit betraut, Vorkehrungen zur Gewährleistung der sicheren Herausgabe des Kindes an die Antragstellerin zu treffen und das Kind, nach Vollstreckung der Herausgabe, vorläufig bis zur Rückführung in die Obhut einer für geeignet befundenen Einrichtung oder Person zu geben.

5.) Die Vollstreckung aus diesem Beschluss findet ohne Vollstreckungsklausel statt.

6.) Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des vorliegenden Verfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, nämlich die Kinder …, und …. Die Ehe der Kindeseltern wurde mit Urteil … vom 24.07.1997 geschieden. Die elterliche Sorge wurde beiden Elternteilen belassen, der gewöhnliche Aufenthaltsort der Kinder, wurde am Wohnsitz der Kindesmutter festgelegt, dem Kindesvater wurde ein Umgangsrecht zugesprochen. Das Urteil wurde von dem Cour … vom 22.06.1999 bestätigt.

Mehrere Anträge des Antragsgegners, den Aufenthalt der Tochter … beim Vater festzulegen, wurden in erster und teilweise zweiter Instanz von französischen Gerichten abgewiesen.

Am 05.09.2004 hat der Antragsgegner die beiden Kinder anlässlich der Ausübung seines Umgangsrechtes bei der Antragstellerin abgeholt. Seither hält sich … im väterlichen Haushalt, zunächst in … und dann in …, auf.

Die Mutter beantragt,

wie erkannt.

Der Vater beantragt,

die Anträge der Mutter zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf den vorgetragen Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zu den Gerichtsakten gereichten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Urkunden sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen verwiesen.

Alle Beteiligten wurden am 17.11.2004 angehört (vgl. Protokoll, Bl. 73 ff).

Dem Rückführungsantrag der Mutter war stattzugeben.

Die materiellrechtlichen Rückführungsvoraussetzungen liegen gemäß Artikel 3, 12 HKÜ vor, wenn ein Kind widerrechtlich von einem Vertragsstaat in einen anderen Vertragsstaat verbracht wird und zwischen dem Verbringen und der Antragstellung bei Gericht nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist. Das Verbringen gilt als widerrechtlich, wenn im Heimatstaat des Kindes ein tatsächlich ausgeübtes Sorgerecht verletzt worden ist.

Nicolas lebte bisher gemäß den Urteilen des Tribunal de Grande … vom 24.07.1997, bestätigt durch Urteil … vom 22.06.1999, im mütterlichen Haushalt in Frankreich und dann in Belgien, so dass die Rückführungsvoraussetzungen vorliegen, da sich … durch das Verhalten seines Vaters in Deutschland aufhält.

Es liegen keine Ausnahmen von der Verpflichtung zur sofortigen Rückgabe des Kindes vor.

Artikel 13 HKÜ regelt die Ausnahmen von der Verpflichtung, die sofortige Rückgabe sicherzustellen. Vier Tatbestandsgruppen sind zu beachten:

  • keine Sorgerechtsausübung
  • Billigung
  • Kindeswohl und
  • Kindesweigerung

Da die Vorschrift des Artikel 13 HKÜ dem Hauptziel des Abkommens entgegenwirkt, nämlich die Elternteile von einem widerrechtlichen Verbringen abzuhalten und die Sorgerechtsentscheidung am früheren gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes sicherzustellen, ist eine restriktive Auslegung geboten. In Abkehr vom Amtsermittlungsgrundsatz hat der entführende Elternteil die Voraussetzungen des Artikel 13 HKÜ (Ausnahmen von der Verpflichtung zur sofortigen Rückgabe) schlüssig darzulegen und zu beweisen. Im Falle eines non liquet ist die Rückführung anzuordnen, weil der beweisfällige Elternteil weiterhin die Tatsache der Widerrechtlichkeit gegen sich gelten lassen muss (vgl. Bach in FamRZ 97, S. 1051 ff).

Der Antragsgegner (Vater) hat nicht bewiesen, dass die Mutter die Übersiedlung des Kindes … in den väterlichen Haushalt gebilligt hat.

Der Vater legt zum Nachweis der Zustimmung der Mutter zum Aufenthaltsortswechsel eine Fotokopie eines Schriftstückes vor, das die Unterschrift beider Elternteile trägt. Die Mu...

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