Leitsatz (amtlich)

1. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist unverhältnismäßig, wenn der Schuldner Falschangaben korrigiert, bevor dies von dritter Seite aufgedeckt oder ein Versagungsantrag gestellt worden ist.

2. Eine "Heilung" ist im eröffneten Verfahren auch in Verbraucherinsolvenzverfahren möglich (a. A. BGH, Beschl. v. 16. 12. 2010 - IX ZB 63/09, ZInsO 2001, 197, 198 = NZI 2011, 114 = ZIP 2011, 133 = ZVI 2011, 232).

 

Tenor

Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Gläubiger.

 

Gründe

I. Über das Vermögen der anwaltlich vertretenen Schuldnerin ist aufgrund Eigenantrages vom 23.02.2009, eingegangen bei Gericht am 10.03.2009, am 11.03.2009 unter Bewilligung von Stundung das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden. Das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis weist 12 Gläubiger mit einer Gesamtforderungshöhe von ca. 53.000 € aus. Gegen die Schuldnerin besteht weiter ein Anspruch der versagungsantragstellenden Gläubigerin (Landkreis Göttingen). Am 16.03.2009 teilte die Schuldnerin dem Landkreis Göttingen mit, dass sie in der Zeit vom 01.06.2007 bis 31.05.2008 für ihre beiden Kinder zu Unrecht Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 3.520 € bezogen hatte. Zwischenzeitlich ist ein Teilbetrag von 350 € getilgt. Das Strafverfahren wurde gem. § 153a StPO eingestellt. Der Landkreis gegenüber offenbarte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst am 21.01.2010. Der danach von ihr informierte Treuhänder schrieb den Landkreis am 07.02.2011 an. Die am 24.02.2011 angemeldete Forderung ist zur Tabelle festgestellt mit dem Forderungsattribut aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Mit Beschluss vom 16.08.2011 hat die Rechtspflegerin die Fortsetzung des schriftlichen Verfahrens angeordnet. Innerhalb der gesetzten Frist hat der Landkreis Versagung der Restschuldbefreiung beantragt.

II. Die Voraussetzungen für eine Versagung der Restschuldbefreiung liegen nicht vor.

Die Schuldnerin hat zwar den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO objektiv (1.) und subjektiv (2.) verwirklicht. Sie hat die unterlassenen Angaben jedoch nachgeholt, so dass eine Versagung unverhältnismäßig wäre (3.).

1) Entgegen § 290 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO hat sie im Gläubigerverzeichnis die Forderung des Landkreises Göttingen nicht aufgeführt.

2) Die Schuldnerin hat zumindest grob fahrlässig gehandelt. Der Antrag datiert vom 23.02.2009. In engen zeitlichen Zusammenhang offenbarte sie am 16.03.2009 dem Landkreis Göttingen gegenüber den zu Unrecht erfolgten Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von über 3.000 €. Bei dieser Sachlage war die Schuldnerin spätestens jetzt verpflichtet, den Treuhänder über die Forderung zu informieren; bei Unklarheiten hätte sei sich an ihn wenden und nachfragen müssen.

3.) Die Schuldnerin hat den Verstoß jedoch rechtzeitig geheilt. Der BGH hat im Beschluss vom 16. 12. 2010 - IX ZB 63/09 (ZInsO 2001, 197, 198 = NZI 2011, 114 = ZIP 2011, 133 = ZVI 2011, 232) folgendes ausgeführt: "Holt der Schuldner im Regelinsolvenzverfahren von sich aus eine gebotene, aber zunächst von ihm unterlassene Auskunftserteilung nach, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist, beeinträchtigt seine Obliegenheitsverletzung letztlich die Gläubigerinteressen nicht. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist dann i.d.R. unverhältnismäßig (BGH, Beschl. v. 20.3.2003 - IX ZB 388/02, ZInsO 2003, 413 ; v. 17.9.2009 - IX ZB 284/08, ZInsO 2009, 1954 Rn. 9 und 11; v. 18.2.2010 - IX ZB 211/09, ZInsO 2010, 684 Rn. 6). Die Möglichkeit einer solchen "Heilung" ist entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht auf den Zeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt. Diese Einschränkung gilt nur im Verbraucherinsolvenzverfahren, weil dort schon für das der Verfahrenseröffnung vorangehende Schuldenbereinigungsverfahren richtige und vollständige Angaben des Schuldners erforderlich sind (BGH, Beschl. v. 17.3.2005 - IX ZB 260/03, NZI 2005, 461 = LNR 2005, 12014; v. 7.12.2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96 Rn. 7; BayObLG, ZInsO 2002, 489)."

Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin die Forderung nachgemeldet, bevor ihr Verhalten von dritter Seite aufgedeckt oder ein Versagungsantrag gestellt war. Allerdings geschah dies erst nach Eröffnung des Verfahrens. Entgegen der Ansicht des BGH besteht eine Beschränkung der Nachmeldemöglichkeit auf das Eröffnungsverfahren bei Verbraucherinsolvenzverfahren nicht.

Sind die gem. § 305 Abs. 1 InsO vorzulegenden Verzeichnisse vollständig ausgefüllt, dauert das Eröffnungsverfahren, sofern nicht ausnahmsweise ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch gem. § 306 InsO durchgeführt wird, nur wenige Tage (im vorliegenden Fall zwei Tage). Eine Heilungsmöglichkeit bestünde regelmäßig nicht.

Die vom BGH im Beschluss vom 16.12.2010 in Bezug genommene Entscheidung vom 17.03.2005 (IX ZB 260/03) führt aus, "... dass die Vorlage der in § 305 Abs. 1 Nr. 3, § 307 Abs. 1 InsO genannten Verzeichnisse nicht ...

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