1. Allgemeines und Grundsätze – Die Regelungen zu Sanktionen und Beweislast im Einzelnen

a) Bei einfacher Fahrlässigkeit

 

Rz. 29

Bei einfacher Fahrlässigkeit besteht Anspruch auf volle Leistungen;
Beweislast hat Versicherungsnehmer.

b) Bei Vermutung grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers bei objektiver Tatbestandsverwirklichung

 

Rz. 30

Von grober Fahrlässigkeit muss sich der VN entlasten
Im Übrigen hat er hinsichtlich Kausalität Beweispflicht
Obliegenheitsverletzungen wären insoweit sanktionslos, wenn VN nachweist, dass sein Verhalten nicht kausal war (erfolgreicher Kausalitätsgegenbeweis)
Bei Vorsatz ist vollständige Leistungsfreiheit i.S.v. § 28 Abs. 1 VVG gegeben
Beweislast hat Versicherer
Leistungsfreiheit entfällt, wenn VN Kausalitätsgegenbeweis führt
Ausnahme bei Arglist des VN
Beweislast für Arglist hat Versicherung

c) Kündigungsrecht des Versicherers

 

Rz. 31

Das Kündigungsrecht des Versicherers kommt nur in Betracht bei Verletzung von Obliegenheiten, die vor dem Versicherungsfall zu erfüllen sind.

2. Exkurs Gefahrerhöhung

 

Rz. 32

Die Rechtslage zur Gefahrerhöhung ist in § 23 VVG geregelt (ebenfalls § 23 VVG a.F.). Gegenüber der früheren Rechtslage gem. § 23 VVG a.F. ergeben sich Änderungen hinsichtlich der Kündigung und hinsichtlich des Sanktionssystems.[12]

[12] Felsch, Neuregelungen von Obliegenheiten und Gefahrerhöhung, r+s 2007, S. 485 (486).

3. Die quotale Leistungskürzung

 

Rz. 33

Auch für den Bereich der Rechtsschutzversicherung ist die quotale Leistungskürzung vorgesehen.

Die Thematik wird in der Praxis unter Umständen eine Rolle spielen und auch entsprechend die Gerichte beschäftigen. Ebenso wird klärungsbedürftig sein, unter welchen Voraussetzungen die Rechtsschutzversicherung sich auf Leistungsfreiheit oder auf Leistungskürzung berufen kann – Verletzung von Aufklärungs- und Auskunftspflichten.

Auszugehen ist davon, dass die Rechtsschutzversicherung verpflichtet ist, im Rahmen der schriftlichen Deckungsbestätigung den Versicherungsnehmer auf diese Pflicht und die Folgen ihrer Verletzung ausdrücklich hinzuweisen.[13]

[13] Terbille/Bultmann, § 27 Rn 341 unter Hinweis auf die frühere geschäftsplanmäßige Erklärung der Rechtsschutzversicherungen gegenüber dem GDV über die Pflichten nach § 15 Abs. 1 ARB 75.

4. Rechtsschutz und Gefahrerhöhung

 

Rz. 34

Der Begriff "Gefahrerhöhung" ist lediglich relevant für die Beitragsbemessung. § 11 ARB 2010 enthält die Regelung zu "Änderung der für die Beitragsbemessung wesentlichen Umstände" – ebenfalls geregelt in § 11 ARB 94/2000, 2008, (hierzu im Einzelnen siehe § 6 Rn 80 ff.).

5. Kausalität bei Leistungsfreiheit und Leistungskürzung

 

Rz. 35

Zunächst sind für die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers bei Obliegenheitsverletzung grundsätzlich die im Versicherungsvertragsrecht entwickelten Grundsätze der Relevanzrechtsprechung zu berücksichtigen. Diese sind auch auf die Rechtsschutzversicherung anwendbar.[14]

Die hierzu entwickelten Grundsätze haben ihren Niederschlag gefunden in § 28 VVG.

 

Beispiel

Bei z.B. der Verletzung der Unterrichtungsobliegenheit kommt nicht bereits deshalb Leistungsfreiheit in Betracht, weil bei nicht abgestimmten Maßnahmen der Versicherer die Erfolgsaussichten nicht prüfen kann und keinen Einfluss auf das Verfahren nehmen konnte.

 

Rz. 36

Bei dieser Fallgestaltung hat der Versicherer zunächst darzulegen, weshalb die Deckung abgelehnt worden wäre. Demgegenüber ist es Aufgabe des Anwaltes – als Bevollmächtigter des VN – zu klären, ob die Ablehnungsgründe bei einer ordnungsgemäßen Abstimmung ausgeräumt worden wären.

Hier ist zunächst die Möglichkeit zu sehen der Deckungsablehnung. Dieser wiederum kann begegnet werden mit dem Stichentscheid oder einem Schiedsgutachten. Wäre auf diesem Weg potenziell die Erfolgsaussicht bejaht worden, wäre die Kausalität zwischen Obliegenheitsverletzung und Leistungspflicht ausgeräumt.[15]

[14] BGH VersR 1993, 380.
[15] Terbille/Bultmann, § 28 Rn 342 m.w.N.

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