Rz. 142

Der Kläger[153] kann nach § 596 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung von der Durchführung des Urkundenprozesses in der Weise absehen, dass der Rechtsstreit als solcher im ordentlichen Erkenntnisverfahren anhängig bleibt.

 

Rz. 143

Die Abstandnahme kann sich auch auf einen selbstständigen Teil des Anspruches beschränken.[154] Der Prozess ist dann nach § 145 ZPO zu trennen und einerseits im Urkundenprozess und andererseits im ordentlichen Erkenntnisverfahren fortzusetzen. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass der Prozess zunächst nach § 145 ZPO zu trennen sei und dann erst eine Abstandnahme in dem einen Prozess möglich ist.[155] Dies würde die Zulässigkeit der teilweisen Abstandnahme von der im Ermessen stehenden Trennung des Verfahrens abhängig machen.

 

Rz. 144

Eine hilfsweise erklärte Abstandnahme für den Fall, dass das Gericht die Klage als im Urkundenprozess unstatthaft erachtet, ist dagegen unzulässig.[156]

 

Rz. 145

Die Erklärung, dass vom Urkundenprozess Abstand genommen wird, ist Prozesshandlung und deshalb nicht widerrufbar.[157] Grundsätzlich ist die Abstandnahme, insbesondere von einem Bevollmächtigten, deshalb auch ausdrücklich zu erklären und dem Gericht bei der Annahme einer konkludenten Abstandnahme außerordentliche Zurückhaltung auferlegt.[158]

 

Rz. 146

 

Hinweis

Unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange, insbesondere eines absehbaren Vermögensverfalls des Gegners, kann es allerdings sinnvoll sein, in der Weise wieder zum Urkundenverfahren überzugehen, dass die Klage im normalen Erkenntnisverfahren zurückgenommen wird und diese dann im Urkundenverfahren erneut erhoben wird, wenn der Beklagte einer Klageänderung nach § 263 ZPO nicht zustimmt und das Gericht dies auch nicht für sachdienlich erachtet. Allerdings trägt der Kläger insoweit jedenfalls die Mehrkosten der Klagerücknahme.

 

Rz. 147

Der Zustimmung des Beklagten zur Abstandnahme vom Urkundenprozess bedarf es nicht. Dessen Rechte werden hinreichend dadurch gewahrt, dass der Prozess als solcher anhängig bleibt, der Kläger sich von seiner Klage also nicht – ohne Zustimmung des Beklagten und einer entsprechenden Kostentragungspflicht – gänzlich lösen kann. Der besondere Vorteil für den Kläger liegt also allein in der fortdauernden Rechtshängigkeit.

 

Rz. 148

 

Hinweis

Eine Abstandnahme vom Urkundenprozess ist nach bestrittener Ansicht[159] auch noch in der Berufungsinstanz zulässig. Allerdings geht dann dem Beklagten eine Instanz verloren, sodass die Abstandnahme hier von der Zustimmung des Beklagten oder aber der Sachdienlichkeit abhängt.[160] In diesem Fall wird nämlich das in erster Instanz noch anhängige Nachverfahren gegenstandslos und der Prozess abschließend in der zweiten Instanz fortgesetzt.[161] Vorgeschlagen wird auch, die Abstandnahme im Berufungsverfahren zuzulassen, allerdings nur mit der Maßgabe, dass das Vorbehaltsurteil ohne Weiteres aufgehoben und der Rechtsstreit nach § 538 Abs. 2 Nr. 5 ZPO an die erste Instanz zurückverwiesen wird.[162]

 

Rz. 149

Ein solches Absehen von einem im Urkundenprozess begonnenen Rechtsstreit wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn

der Kläger die streitigen anspruchsbegründenden Tatsachen nicht mit Urkunden nachweisen kann,
der Kläger die vom Beklagten erhobenen und durch Urkunden nachgewiesenen Einwendungen nicht seinerseits mit Urkunden zu Fall bringen kann,
der Kläger zwar die anspruchsbegründenden Tatsachen mit Urkunden belegen kann, der Beklagte aber erhebliche Einwendungen erhoben hat und sich die Rechte für das Nachverfahren vorbehalten möchte, sodass der Kläger ernsthaft damit rechnen muss, seinen Anspruch am Ende nicht durchsetzen zu können.
 

Rz. 150

 

Hinweis

Wird vom Urkundenprozess nach § 596 ZPO Abstand genommen und das Verfahren dann im ordentlichen Erkenntnisverfahren fortgesetzt, so entstehen alle Gebühren erneut. Nach § 17 Nr. 5 RVG stellen das Urkundenverfahren einerseits und das Nachverfahren oder das ordentliche Verfahren nach der Abstandnahme vom Urkundenprozess verschiedene Angelegenheiten dar, in denen jeweils die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV und ggf. die 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV anfällt. Allerdings ist die Verfahrensgebühr des Urkundenverfahrens nach der Bemerkung in Abs. 2 zu Nr. 3100 VV auf die Verfahrensgebühr für das nachfolgende Verfahren anzurechnen, sofern der Rechtsstreit anhängig bleibt. Insoweit ist eine sorgfältige Prüfung des Rechtsanwaltes angezeigt, ob tatsächlich alle Tatsachen durch Urkunden nachgewiesen werden können. Auch ist mit dem Mandanten zu erörtern, mit welchen Einwendungen des Beklagten zu rechnen ist und ob dieser in der Lage sein kann, diese mit Urkunden zu belegen. Anderenfalls besteht für den Rechtsanwalt bezüglich der zusätzlichen Kosten ein Haftungsrisiko. Auf jeden Fall sollte der Mandant bei der Belehrung über die Möglichkeiten und Chancen eines Urkundenverfahrens auf diese besonderen Kostenfolgen – schriftlich – hingewiesen werden.

 

Rz. 151

Die Abstandnahme kann entweder durch eine entsprechende Erkläru...

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