Rz. 44
§ 15 ArbSchG deklariert die Eigenverantwortlichkeit des Beschäftigten in Fragen des betrieblichen Arbeitsschutzes. In diesem Sinne werden die Beschäftigten zur Einhaltung folgender Pflichten angehalten:
1. Pflichten der Beschäftigten
Rz. 45
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Im Rahmen der Kenntnisse und vorhandenen technischen Mittel sollen geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung getroffen werden, wenn bei unmittelbarer Gefahr für sich oder andere Personen der Vorgesetzte nicht erreichbar ist, § 9 Abs. 2 S. 2 ArbSchG. |
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Sie sollen für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit nach ihren Möglichkeiten sowie gem. der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers Sorge tragen, § 15 Abs. 1 ArbSchG. |
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Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Arbeitsstoffe, Transport- und sonstige Arbeitsmittel sowie zur Verfügung gestellte persönliche Arbeitsmittel sollen bestimmungsgemäß verwandt werden, § 15 Abs. 2 ArbSchG. |
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Festgestellte unmittelbare Gefahren für Sicherheit und Gesundheit sowie Defekte an Schutzsystemen sollen unverzüglich dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten gemeldet werden, § 16 Abs. 1 ArbSchG. |
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Die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zuständigen Personen sollen von ihnen unterstützt werden; Mängel sollen diesen und den Sicherheitsbeauftragten gemeldet werden, § 16 Abs. 2 ArbSchG. |
Daneben bleiben die Pflichten der Beschäftigten aus anderen Rechtsvorschriften unberührt. Hierzu gehören insbesondere:
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Weisungsgebundenheit der Auszubildenden gem. § 9 Nr. 3, 4 BBiG, § 21 Abs. 3 SGB VII |
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Mitteilungspflicht bei Schwangerschaft gem. § 5 MuSchG |
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Unterlassung von Umweltschäden in Entsprechung der §§ 324 ff. StGB |
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Pflichten aus Unfallverhütungsvorschriften gem. SGB VII, z.B. UVV "Allgemeine Vorschriften BGV A 1", UVV "Erste Hilfe BGV A 5", UVV "Lärm BGV B 3", UVV "Sicherheitskennzeichnung BGV B 8" |
2. Haftung der Beschäftigten
Rz. 46
Soweit Beschäftigte ihre Arbeitsschutzpflichten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzen und hieraus dem Arbeitgeber, einem anderen Beschäftigten oder dritten Personen ein Schaden entsteht, sind sie grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet. Die Unfallverhütungsvorschriften stellen insoweit Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Allerdings unterscheiden sich die Haftungsregeln für die Beschäftigten abhängig von dem jeweiligen Verschuldensgrad. Bei Sachschäden erfolgt die Haftung nach den Grundsätzen der begrenzten Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten. Unter gewissen Voraussetzungen ergibt sich danach eine volle oder anteilige Mithaftung des Arbeitgebers bei nicht vorsätzlicher Schadensverursachung durch seine Beschäftigten:
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Unabhängig von einem Mitverschulden des Arbeitgebers gem. § 254 BGB muss der Arbeitnehmer für Schäden, die er infolge leichtester Fahrlässigkeit verursacht hat, nicht aufkommen. |
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Bei mittlerer Fahrlässigkeit findet eine Schadensteilung unter Abwägung der Gesamtumstände unter Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten statt. |
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Sogar bei grober Fahrlässigkeit soll unter dem Gesichtspunkt des Betriebsrisikos eine vollständige Haftung des Arbeitnehmers aus Rücksicht auf dessen soziale Schutzwürdigkeit ausscheiden. |
Rz. 47
Bei Personenschäden besteht wegen des Privilegs des § 105 Abs. 2 SGB VII die Haftung nur bei Vorsatz oder bei einem Wegeunfall, soweit Geschädigter der Arbeitgeber oder ein weiterer Arbeitnehmer ist. Es besteht aber bei grober Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz die Möglichkeit, dass die insoweit eintrittspflichtige Berufsgenossenschaft den Schädiger in Regress nimmt und das Geleistete von ihm erstattet verlangt, § 110 Abs. 1 SGB VII.
Rz. 48
Bei Sach- oder Personenschäden, die einem Dritten gegenüber entstehen, gelten die normalen Haftungsregelungen. Der Arbeitgeber haftet wegen des Verstoßes gegen die Arbeitsschutzbestimmungen ebenfalls neben seinem Beschäftigten als Gesamtschuldner. Letzterer kann allerdings unter Berücksichtigung der innerbetrieblichen Haftungsregelungen im Innenverhältnis die mögliche anteilige Freistellung verlangen.
Rz. 49
Der Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer grundsätzlich die Einhaltung der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Schutzvorschriften im Sinne einer vertraglichen Nebenpflicht verlangen. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung insoweit unter Verstoß gegen zwingendes Arbeitsschutzrecht, muss der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annehmen, ohne dabei in Annahmeverzug zu geraten. Der Arbeitnehmer verliert dadurch seinen Lohnanspruch.
Wird der Arbeitnehmer arbeitsunfähig, weil er gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen hat, kann er seinen Lohnfortzahlungsanspruch verlieren.
Rz. 50
Im Übrigen kann die Pflichtverletzung zur Abmahnung und im Wiederholungsfall zur verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Entscheidende Bedeutung kommt dabei allerdings dem Umstand der vorherigen Unterweisung durch den Arbeitgeber oder dessen Beauftragten zu. Ist diese unterblieben, kann nicht gekündigt werden, bevor nicht mehrfach abgemahnt worden ist.