Rz. 4

Unter dem Begriff des internationalen Steuerrechts ist zunächst einmal das nationale (deutsche) Steuerrecht zu verstehen, das sich mit der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte befasst. Das internationale Steuerrecht befasst sich dabei insbesondere auch mit den sich daraus ergebenden Konflikten, wenn verschiedene Staaten den gleichen Lebenssachverhalt besteuern wollen.

 

Rz. 5

Es gibt kein einheitliches kodifiziertes internationales Steuerrecht, vielmehr ist für jeden beteiligten Staat zu untersuchen, welche nationalen Steuernormen er für Besteuerungsfälle mit Auslandsbezug vorsieht. Fälle einer völkerrechtswidrigen Besteuerung kommen kaum vor, da nahezu immer ein Anknüpfungsmerkmal (siehe oben Rdn 2 ff.) vorhanden sein dürfte.

 

Rz. 6

Europarechtlich wird das weite Anknüpfungsmerkmal "genuine link" (siehe oben Rdn 1) allerdings insoweit eingeschränkt, als es innerhalb der Europäischen Union insbesondere nicht zu Ungleichbehandlungen kommen darf. Fälle der europarechtswidrigen Diskriminierung wurden vom EuGH bereits häufiger festgestellt, was in der Praxis dazu führt, dass Regelungen des nationalen Steuerrechts zunehmend auf europarechtliche Vereinbarkeit geprüft und entsprechende nationale Rechtsvorschriften angepasst werden müssen. Nach früherer Rechtslage war es etwa so, dass der individuelle Freibetrag (§ 16 ErbStG), bspw. bei Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern von 500.000 EUR, nur dann zur Anwendung kam, wenn die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht vorliegen. Für beschränkt steuerpflichtige Erwerbe betrug dieser Freibetrag selbst bei Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern nur 2.000 EUR, ohne dass wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen zwischen diesen und Kindern differenziert wurde. Der EuGH hat in der Sache "Mattner" entschieden, dass verminderte Freibeträge für Schenkungen unter Gebietsfremden europarechtswidrig sind, da dies einen Verstoß gegen die durch Art. 63, 65 AEUV geschützte Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.[5] Der deutsche Gesetzgeber hat auf diese EuGH-Rechtsprechung reagiert und im Jahre 2011 in Fällen der beschränkten Steuerpflicht eine Optionsmöglichkeit zur unbeschränkten Erbschaft- oder Schenkungsteuerpflicht (§ 2 Abs. 3 ErbStG aF) eingeführt. Diese Neuregelung hat der EuGH allerdings wieder wegen der Beschränkung auf EU/EWR-Sachverhalte sowie der Zusammenfassung der Erwerbe über einen Zeitraum von 20 Jahren für unionsrechtswidrig erklärt.[6]

 

Rz. 7

Der EuGH entschied sogar, dass die wohnsitzabhängige Differenzierung des Freibetrags, nämlich wenn Erblasser und Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland, also außerhalb der EU (und des EWR), wie der Schweiz hatten, einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.[7]

 

Rz. 8

Ebenso wie die deutschen Regelungen haben die in Spanien geltenden Vorschriften, nach denen Gebietsansässige in den autonomen Gebietskörperschaften keine oder nur einen Bruchteil der sonst fälligen Erbschaftsteuer zahlen müssen, gegen EU-Recht verstoßen.[8]

 

Rz. 9

In Deutschland werden die nach Angehörigenverhältnis differenzierenden Freibeträge nunmehr stets unabhängig vom Umfang der Steuerpflicht gewährt, diese werden aber nach § 16 Abs. 2 ErbStG gemindert, falls der Erwerb mit anderen Erwerben innerhalb von zehn Jahren zusammenfällt, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Es ist allerdings fraglich, ob diese Neuregelung unionsrechtlich unbedenklich ist. Damit einher geht eine permanente Rechtsunsicherheit, die für alle gesetzlichen Regelungen gilt, die beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige unterschiedlich behandeln.

 

Rz. 10

Die EuGH-Rechtsprechung nimmt damit in immer stärkerem Maße Einfluss auf die nationale Gesetzgebung, während völkerrechtliche Fragen nur eine geringe Rolle spielen.

[5] EuGH, Urt. v. 22.4.2010 – C-510/08 ("Mattern"), DStR 2010, 861.
[6] EuGH, Urt. v. 8.6.2016 – C-479/14 ("Sabine Hünnebeck"), DStR 2016, 1360.
[8] EuGH, Urt. v. 3.9.2014 – C-127/12, BeckRS 2014, 81713. Zu den Reaktionen des spanischen Gesetzgebers vgl. Länderbericht Spanien: Gemeinspanisches Recht Rdn 258 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge