(1) Duldungsverpflichtete

 

Rz. 20

Duldungsverpflichtet ist zunächst der Eigentümer sowie der Grunddienstbarkeitsberechtigte (§§ 1004, 1027 BGB) und der Berechtigte sonstiger Dienstbarkeiten (§§ 1004, 1090 Abs. 2; 1027 BGB) sowie der Erbbauberechtigte. Darüber hinaus wird nach ständiger Rechtsprechung § 906 BGB auch auf den Besitzer, so z.B. den Mieter und Pächter, angewandt.[10]

(2) Begriff der von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkung

 

Rz. 21

Die Einwirkungen müssen von einem anderen Grundstück ausgehen. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB enthält einen Katalog, in welchem zwar keine konkrete Definition des Einwirkungsbegriffs vorgegeben, dieser Begriff jedoch in beispielhafter Weise veranschaulicht wird, sodass die Weiterentwicklung der Auslegung des § 906 BGB der Praxis vorbehalten bleibt. Bedeutsam für diese Betrachtung sind diejenigen Einwirkungen, die gerade bei Tiefbauarbeiten häufig auftreten: Erschütterungen, Vibrationen, Staub und Lärm. Insbesondere Erschütterungen treten als unregelmäßige einzelne Stöße (z.B. bei Sprengungen) oder als zumeist gleichförmige Schwingungen und Vibrationen auf, die insbesondere durch eingesetzte Maschinen und Baugeräte (Ramme, Rüttelverdichter, Bagger, Vibrationswalze, Schwingungsverdichter, Bohrgerät usw.) hervorgerufen werden können.

(3) Wesentlichkeit der Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks

 

Rz. 22

Weiter fordert § 906 Abs. 1 S. 1 BGB eine "wesentliche Beeinträchtigung", damit dem Grundstückseigentümer ein Verbietungsrecht zusteht. Für die Frage der Wesentlichkeit kommt es maßgeblich auf das Empfinden eines "verständigen" Durchschnittsmenschen an, wobei die Natur und die Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks, z.B. ob das Grundstück als Industriegrundstück oder als Wohngrundstück genutzt wird, entscheidend sind.[11]

 

Rz. 23

Weiter ist bei der Bewertung der Wesentlichkeit ein so genannter objektiv-differenzierter Maßstab anzulegen, da es für die Frage der Wesentlichkeit nicht auf eine individuelle Person des mehr oder weniger empfindlichen Nachbarn ankommt, sondern auf das Empfinden eines objektiven Durchschnittsmenschen. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist vor allem die Benutzung des beeinträchtigten Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit zu untersuchen.

 

Rz. 24

Die Überschreitung von Grenzwerten von einschlägigen DIN- oder auch VDI-Normen können auf eine Wesentlichkeit hindeuten.[12] Mit dem BGH ist im Rahmen der Beweiswürdigung § 287 ZPO anzuwenden, um damit einerseits dem Geschädigten die ohnehin schwierige Nachweisführung zu erleichtern, andererseits aber auch eine übermäßige Haftung des Emittenten zu verhindern. Wenn aber die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden und damit die Voraussetzung für die vorstehenden Ausführungen entfällt, dann muss konsequenterweise den Geschädigten die volle Darlegungs- und Beweislast auch hinsichtlich der Kausalität treffen. Den Störer wiederum trifft für die ihm günstige Einwendung der Unwesentlichkeit i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Aufgrund der Vermutungsregel des § 906 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB braucht er aber nur noch darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die relevanten Grenz- und Richtwerte eingehalten sind. Einwirkungen in Form von Lärm werden aktuell besonders in Hinblick auf Luft- und Wärmepumpen relevant. Die Unwesentlichkeit wird hierbei jedoch indiziert, da durch die Pumpen grds. "die in einem reinen Wohngebiet zulässigen Werte der TA-Lärm eingehalten sind."[13] Diese gesetzliche Vermutung kann aber im Einzelfall widerlegt werden, wie es auch im Fall der Wärmepumpen vorkam, wenn die subjektive Wahrnehmung störender als der objektiv gemessene Wert ist. Hierfür obliegt aber dann dem gestörten Nachbarn die Darlegungs- und Beweislast.

[13] AG Lüdinghausen v. 17.5.2017 – 12 C 222/15.

(4) Ortsüblichkeit der Benutzung des anderen Grundstücks

 

Rz. 25

§ 906 Abs. 2 S. 1 BGB stellt den unwesentlichen Einwirkungen solche gleich, die bei ortsüblicher Benutzung des emittierenden Grundstücks entstehen und dabei wesentlich sind, wenn sie nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die dem anderen Eigentümer zumutbar wären. Nach der Rechtsprechung des BGH beruht die nachbarrechtliche Beschränkung des Eigentums nach der Maßgabe der Ortsüblichkeit seiner Nutzung auf dem Gedanken, dass benachbarte Grundstücke in vergleichbar einheitlicher Weise genutzt werden sollen und damit aus diesem Grund die das benachbarte Grundstück berührenden Störungen dem jeweils anderen Nachbarn zumutbar sein sollen.[14]

 

Rz. 26

Bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit ist nach dem Wortlaut des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB auf die Benutzung des emittierenden Grundstücks abzustellen, da sonst die Kriterien der "Zumutbarkeit" und der "Ortsüblichkeit" vermischt würden. Es kann von einer Ortsüblichkeit dann ausgegangen werden, wenn eine gleichartige Übung bei einer Mehrheit von Grundstücken derselben Lage gegeben ist.

[14] BGH v. 30.10.1970 – V ZR 150/67 – BGHZ 54, 384.

(5) Beeinträchtigung durch wirtschaftlich zumutbare Abhilfemaßnahmen

 

Rz. 27

Das Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung der ...

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