Rz. 178

Haben die Ehegatten unentgeltlich auf dem Hausgrundstück oder in der Eigentumswohnung der Eltern eines der Ehegatten gelebt, kommt als Anspruchsgrundlage §§ 601 Abs. 2 S. 1, 683, 670 BGB in Betracht. Diese Normenkette gibt einem Entleiher einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, die er für erforderlich halten durfte und deren Vornahme dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprachen.

1. Leihvertrag

 

Rz. 179

Dafür muss zwischen dem Ersatz verlangenden Schwiegerkind und den Schwiegereltern ein Leihvertrag bestanden haben. Das ist gemäß § 598 BGB der Fall, wenn eine Partei vertraglich verpflichtet wird, der anderen den Gebrauch einer Sache unentgeltlich zu gestatten.

 

Rz. 180

Abzugrenzen ist das Leihverhältnis von einem Mietvertrag und einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis. Wird beispielsweise den Ehegatten ein unentgeltliches Bewohnen eines im Eigentum der Schwiegereltern stehenden Objekts einfach aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen gestattet, liegt kein Leihvertrag vor, sondern ein Gefälligkeitsverhältnis.[144]

 

Rz. 181

Bereits ein geringes Entgelt schließt die Leihe aus und begründet einen Mietvertrag.[145] Zu prüfen ist deshalb immer, ob die behaupteten Investitionen des Schwiegerkindes unter Umständen als im Voraus entrichtete Miete angesehen werden können. Das ist nicht der Fall, wenn vertraglich keine Investitionen geschuldet sind und sie deshalb nicht als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung dienen.[146]

 

Rz. 182

Wurde dem eigenen Kind oder beiden Eheleuten ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt, liegt zwar auch hier eine Unentgeltlichkeit der Nutzung vor. Die vertragliche Grundlage hierfür ist aber die Vereinbarung des Wohnungsrechts, nicht mehr ein bloßer Leihvertrag.[147]

 

Rz. 183

 

Praxistipp

Bei unentgeltlichem Bewohnen eines im Eigentum der Schwiegereltern stehenden Hausgrundstücks ist das Vorliegen eines Leihvertrages zu prüfen.
Wurde das unentgeltliche Wohnen aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen gestattet, liegt kein Leihvertrag, sondern ein Gefälligkeitsverhältnis vor.
Sind Investitionen des Schwiegerkindes als im Voraus entrichtete Miete zu qualifizieren, liegt kein Leihvertrag, sondern ein Mietvertrag vor.
Bei Vorliegen eines Wohnungsrechts ist dieses der Rechtsgrund für das unentgeltliche Bewohnen des Objekts, nicht ein Leihvertrag.
 

Rz. 184

 

Lösung Fallbeispiel

M und F bewohnen das im Eigentum der SV und SM stehende Einfamilienhaus unentgeltlich. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bloß verwandtschaftlich begründeten Unentgeltlichkeit des Bewohnens liegen nicht vor. Ebenso wenig haben die Parteien vertraglich vereinbart, dass M und F Arbeitsleistungen erbringen müssen, um im Gegenzug dort zu wohnen. Es ist also davon auszugehen, dass mit dem Einzug in das Haus zwischen den Parteien stillschweigend ein Leihvertrag zustande kam.

[144] BGH, Urt. v. 31.10.2001 – XII ZR 292/99, openJur 2010, 7508, NJW 2002, 436.
[145] PWW/Hoppenz, § 598 BGB Rn 13.
[146] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.2010 – I-24 U 108/09, openJur 2011, 70974, rechtsprechungsdatenbank.nrw, FamRZ 2010, 1849.
[147] Wever, Rn 545.

2. Verwendungsersatz

 

Rz. 185

Der Entleiher einer Sache kann gemäß § 601 Abs. 2 BGB Ersatz von Verwendungen verlangen, die über die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der geliehenen Sache hinausgehen. Der Anspruch richtet sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Verwendungen sind Aufwendungen auf eine Sache.[148]

 

Rz. 186

Indem § 601 Abs. 2 BGB auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verweist, werden die §§ 683, 670 BGB zu Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs. Die Investitionen müssen also erforderlich gewesen sein und dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprochen haben.

 

Rz. 187

Deshalb kann der Entleiher nur Aufwendungen ersetzt verlangen, die er nach sorgfältiger Abwägung der ihm bekannten Umstände und unter Berücksichtigung der Interessen des Verleihers für erforderlich halten durfte.[149] Dementsprechend ist zunächst zu überprüfen, ob die von dem Schwiegerkind an dem Hausgrundstück oder der Eigentumswohnung der Schwiegereltern getätigten Investitionen den Erforderlichkeitsmaßstäben entsprechen. Dies wäre dann schriftsätzlich vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen.

[148] PWW/Englert, § 994 BGB Rn 2.
[149] PWW/Fehrenbacher, § 672 BGB Rn 5.

3. Ausschluss

 

Rz. 188

Ein Verwendungsersatzanspruch scheidet aber von vornherein aus, wenn der Entleiher bei Vornahme der Verwendung nicht die Absicht hatte, Ersatz von dem Verleiher zu verlangen, § 685 Abs. 1 BGB. Hatte das Schwiegerkind zum Zeitpunkt der Verwendungen nicht den Willen und die Absicht, von den Eltern seines Ehegatten Ersatz zu verlangen, kann es einen hierauf gerichteten Ausgleichsanspruch nicht geltend machen.[150]

 

Rz. 189

Wurden die Investitionen, welcher Art auch immer, im eigenen Interesse des Schwiegerkindes vorgenommen, fehlt es an der Absicht, Ersatz zu verlangen. Denn dann dienten die Investitionen in der Regel der Schaffung von Wohn- und Lebensraum für...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge