Rz. 175

 

Beispielsfall

M und F ziehen nach ihrer Hochzeit im Jahr 2005 in das im Eigentum der Eltern von F (SV und SM) stehende Einfamilienhaus. Sie dürfen dort mietfrei wohnen, müssen nur die verbrauchsabhängigen Kosten tragen. Da Haus und Garten nicht dem Geschmack des jungen Ehepaares entsprechen, renoviert M, der handwerklich begabt ist, beides in Eigenleistung mit hochwertigen Materialien. Vier Jahre später trennen sich M und F, indem M aus dem Haus auszieht. F wohnt mit ihrem neuen Lebensgefährten dort weiter unentgeltlich. Nach Ablauf des Trennungsjahres wird die Ehe geschieden. M möchte von seinen Schwiegereltern SV und SM Wertersatz für die von ihm erbrachten Renovierungsarbeiten.

 

Rz. 176

Auch in dieser Fallkonstellation stellt sich die Frage der Rückgewähr von Zuwendungen. Das Schwiegerkind hat während der Ehezeit Leistungen erbracht, die nach einer Trennung und Scheidung nicht mehr ihm selbst zugute kommen, sondern im Eigentum der Schwiegereltern verbleiben. Diese Leistungen bzw. deren Wert möchte das Schwiegerkind nach Scheitern der Ehe zurück.

 

Rz. 177

Leben Ehegatten während der Ehezeit auf dem Hausgrundstück der Eltern eines Ehegatten, sei es zur Miete, sei es ohne Entgelt, investieren sie oft in der Vorstellung in das im Eigentum der Schwiegereltern stehende Objekt, dieses dauerhaft als Familie oder Ehepaar nutzen zu können. Scheitert dann die Ehe, stellt sich die Frage, ob und wie das Schwiegerkind Ersatz verlangen kann.

I. Ansprüche aus Leihverhältnis

 

Rz. 178

Haben die Ehegatten unentgeltlich auf dem Hausgrundstück oder in der Eigentumswohnung der Eltern eines der Ehegatten gelebt, kommt als Anspruchsgrundlage §§ 601 Abs. 2 S. 1, 683, 670 BGB in Betracht. Diese Normenkette gibt einem Entleiher einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, die er für erforderlich halten durfte und deren Vornahme dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprachen.

1. Leihvertrag

 

Rz. 179

Dafür muss zwischen dem Ersatz verlangenden Schwiegerkind und den Schwiegereltern ein Leihvertrag bestanden haben. Das ist gemäß § 598 BGB der Fall, wenn eine Partei vertraglich verpflichtet wird, der anderen den Gebrauch einer Sache unentgeltlich zu gestatten.

 

Rz. 180

Abzugrenzen ist das Leihverhältnis von einem Mietvertrag und einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis. Wird beispielsweise den Ehegatten ein unentgeltliches Bewohnen eines im Eigentum der Schwiegereltern stehenden Objekts einfach aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen gestattet, liegt kein Leihvertrag vor, sondern ein Gefälligkeitsverhältnis.[144]

 

Rz. 181

Bereits ein geringes Entgelt schließt die Leihe aus und begründet einen Mietvertrag.[145] Zu prüfen ist deshalb immer, ob die behaupteten Investitionen des Schwiegerkindes unter Umständen als im Voraus entrichtete Miete angesehen werden können. Das ist nicht der Fall, wenn vertraglich keine Investitionen geschuldet sind und sie deshalb nicht als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung dienen.[146]

 

Rz. 182

Wurde dem eigenen Kind oder beiden Eheleuten ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt, liegt zwar auch hier eine Unentgeltlichkeit der Nutzung vor. Die vertragliche Grundlage hierfür ist aber die Vereinbarung des Wohnungsrechts, nicht mehr ein bloßer Leihvertrag.[147]

 

Rz. 183

 

Praxistipp

Bei unentgeltlichem Bewohnen eines im Eigentum der Schwiegereltern stehenden Hausgrundstücks ist das Vorliegen eines Leihvertrages zu prüfen.
Wurde das unentgeltliche Wohnen aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen gestattet, liegt kein Leihvertrag, sondern ein Gefälligkeitsverhältnis vor.
Sind Investitionen des Schwiegerkindes als im Voraus entrichtete Miete zu qualifizieren, liegt kein Leihvertrag, sondern ein Mietvertrag vor.
Bei Vorliegen eines Wohnungsrechts ist dieses der Rechtsgrund für das unentgeltliche Bewohnen des Objekts, nicht ein Leihvertrag.
 

Rz. 184

 

Lösung Fallbeispiel

M und F bewohnen das im Eigentum der SV und SM stehende Einfamilienhaus unentgeltlich. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bloß verwandtschaftlich begründeten Unentgeltlichkeit des Bewohnens liegen nicht vor. Ebenso wenig haben die Parteien vertraglich vereinbart, dass M und F Arbeitsleistungen erbringen müssen, um im Gegenzug dort zu wohnen. Es ist also davon auszugehen, dass mit dem Einzug in das Haus zwischen den Parteien stillschweigend ein Leihvertrag zustande kam.

[144] BGH, Urt. v. 31.10.2001 – XII ZR 292/99, openJur 2010, 7508, NJW 2002, 436.
[145] PWW/Hoppenz, § 598 BGB Rn 13.
[146] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.2010 – I-24 U 108/09, openJur 2011, 70974, rechtsprechungsdatenbank.nrw, FamRZ 2010, 1849.
[147] Wever, Rn 545.

2. Verwendungsersatz

 

Rz. 185

Der Entleiher einer Sache kann gemäß § 601 Abs. 2 BGB Ersatz von Verwendungen verlangen, die über die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der geliehenen Sache hinausgehen. Der Anspruch richtet sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Verwendungen sind Aufwendungen auf eine Sache.[148]

 

Rz. 186

Indem § 601 Abs. 2 BGB auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verweist, werden die §§ 683, 670 BGB zu Tatbe...

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