Rz. 37

Der Stundensatz bemisst sich nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.[40] Die Höhe des Stundensatzes richtet sich demnach unter Würdigung der genannten Umstände am Einzelfall.[41] Dementsprechend hat das Nachlassgericht – im Beschwerdeverfahren das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht – nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welche Stundensätze anzusetzen sind. Dem Tatsachengericht steht dabei ein weiter Ermessensspielraum zu.[42]

 

Rz. 38

Wegen dieser Einzelfallbetrachtung kommt die Rechtsprechung zu unterschiedlich hohen Stundensätzen,[43] wobei sich regionale Unterschiede feststellen lassen.[44]

 

Rz. 39

Sowohl von der Rechtsprechung als auch in der Literatur werden die unbestimmten Rechtsbegriffe "Fachkenntnisse und Schwierigkeit" ausgelegt. Dabei wird versucht, Stundensatzrahmen festzulegen, die sich an den Fachkenntnissen des Nachlasspflegers orientieren. In einem zweiten Schritt wird dann innerhalb der Vergütungsspanne der Stundensatz nach der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte ermittelt.

 

Rz. 40

Fachkenntnisse des Nachlasspflegers können durch Berufsausbildung oder durch langjährige nachlasspflegerische Praxis erworben werden. Anhaltspunkte für die Fachkenntnisse können auch die Anzahl der bisher bearbeiteten Pflegschaften, eine erfolgte Prüfung der Fähigkeiten, Teilnahme an Weiterbildungen oder der Organisationsgrad des Büros sein. Berufsnachlasspfleger können bezüglich der vorhandenen Fachkenntnisse in drei Gruppen unterteilt werden:[45]

als Berufsnachlasspfleger tätige Rechtsanwälte[46] und vergleichbare Berufsgruppen entsprechender Qualifikation,
andere Berufsnachlasspfleger mit niedrigerer Qualifikation als vorstehend,
Berufsnachlasspfleger mit geringerer Qualifikation.
 

Rz. 41

Aus den nutzbaren Fachkenntnissen ergibt sich die Höhe des Stundensatzes. Für einen Berufsnachlasspfleger, der seinen wesentlichen Lebensunterhalt mit der Bearbeitung von Pflegschaften bestreitet, sollte ein Mindeststundensatz von 50 EUR zzgl. Umsatzsteuer nicht unterschritten werden. Je nach individueller Qualifikation des Nachlasspflegers sind höhere Sätze anzuwenden.

 

Rz. 42

Folgende Vergütungsspannen kommen als Stundensätze in Betracht:

90 EUR bis 150 EUR für als Berufsnachlasspfleger tätige Rechtsanwälte und vergleichbare Berufsgruppen entsprechender Qualifikation,
70 EUR bis 100 EUR für andere Berufsnachlasspfleger mit niedrigerer Qualifikation als vorstehend,
50 EUR bis 80 EUR für Berufsnachlasspfleger mit geringerer Qualifikation.
 

Rz. 43

Der jeweilige Vergütungsrahmen kann für das Kriterium "Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte" genutzt werden, um nach den konkreten Umständen jedes einzelnen Nachlasspflegschaftsverfahrens den Stundensatz zu bemessen. Bei der Beurteilung des Schwierigkeitsgrades einer Pflegschaft werden unter anderem die Struktur des Aktiv- und Passivnachlasses, das Auftauchen schwieriger Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erbenermittlung oder Verwaltung, größere Haftungsgefahren bei großem, differenziert angelegtem Vermögen und die Frage berücksichtigt, ob der Erblasser an Unternehmen oder Erbengemeinschaften beteiligt war.[47] Auch die Dauer der Pflegschaft und das Ausmaß der damit verbundenen Verantwortung können sich auf die Höhe der Vergütung auswirken.[48] Bezüglich des Kriteriums der Schwierigkeit hat sich in der Rechtsprechung eine Staffelung von einfacher, mittelschwerer und schwieriger Abwicklung durchgesetzt.[49]

 

Rz. 44

Eine mittelschwere Abwicklung als Normalfall ist gegeben, sofern sich der Nachlass aus Bargeld, Bankguthaben und beweglichem Vermögen zusammensetzt und nicht in ungewöhnlichem Maße mit Verbindlichkeiten belastet ist.[50]

 

Rz. 45

Kriterien, die es rechtfertigen, von einer schweren Pflegschaft zu sprechen, können sein:

das Auftauchen komplexer Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Nachlasses bzw. der Erbenermittlung (z.B. Erben im Ausland, schwierige Urkundenlage),
größere Haftungsgefahren bei großem, differenziert angelegtem Vermögen,
problematische Immobilien,
Gesellschaftsanteile,
Auslandsvermögen,
ausstehende Steuererklärungen,
Verbindlichkeiten in erheblichem oder unübersichtlichem Umfang,
Wertpapieranlagen,
die Verwaltung nicht hinterlegungsfähigen Vermögens (Mietshaus, Handelsgeschäft) oder
die Beteiligung des Erblassers an einer Erbengemeinschaft.[51]
 

Rz. 46

Von einer einfachen Pflegschaft wird man nur ausnahmsweise sprechen können, etwa wenn nur ein ganz geringer Nachlass vorhanden ist, der Wirkungskreis des Nachlasspflegers deutlich eingeschränkt ist oder der Nachlass vor Entfaltung einer umfangreichen Tätigkeit an die Erben herausgegeben werden kann, z.B. weil im Zuge der Nachlasssicherung durch den Pfleger ein Testament aufgefunden wurde.[52]

 

Rz. 47

1. Stufe – einfache Abwicklung

Tätigkeitsinhalte zum Beispiel:

Auflösung einer durchschnittlich möblierten Wohnung
Sicherung von inländischen Konten (ein Girok...

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