Rz. 206
Im Einzelfall wird der Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft schon angenommen haben und erst später von der ergänzungspflichtigen Schenkung erfahren.
Beispiel
Erblasser E hinterlässt 20.000 EUR. Er setzt seinen Sohn S, den einzigen Pflichtteilsberechtigten, zum Alleinerben ein, beruft jedoch nach dessen Tod den N hinsichtlich des halben Nachlasses zum Nacherben. Nach Annahme der Erbschaft stellt sich heraus, dass noch eine ergänzungspflichtige Schenkung an A i.H.v. 20.000 EUR erfolgt ist.[570] Durch die Annahme der beschwerten Erbschaft würde S seinen Ergänzungsanspruch gem. § 2326 S. 2 BGB verlieren, da der Ergänzungspflichtteil 10.000 EUR ergäbe und damit genau dem Wert des mehr Hinterlassenen entspricht (20.000 EUR Nachlass × Pflichtteil ½ = 10.000 EUR ordentlicher Pflichtteil, folglich sind 10.000 EUR mehr hinterlassen).
Rz. 207
Die h.M. hilft dem Pflichtteilsberechtigten hier über eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 BGB;[571] dem ist zuzustimmen, da hier i.d.R. kein unbeachtlicher Rechtsfolgeirrtum vorliegt, sondern ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des (fiktiven) Nachlasses, der als Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB zur Anfechtung berechtigt.[572] Der BGH hat die Anfechtung für einen Fall im Anwendungsbereich des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bejaht, in dem der beschwerte Erbe irrig glaubte, nicht ausschlagen zu dürfen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren.[573]
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