Rz. 209

Die (künftigen) Eheleute und (künftigen) Eltern können auch in Teilbereichen elterlicher Sorge Vereinbarungen über die Ausgestaltung treffen oder Vollmachten erteilen.

a) Vereinbarung gewaltfreier Erziehung

aa) Der Grundsatz gewaltfreier Erziehung

 

Rz. 210

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung, § 1631 Abs. 2 BGB.

"Gewalt" ist jedoch nicht der strafrechtliche Gewaltbegriff zu übernehmen.[170] Der Gewaltbegriff wird in § 1631 Abs. 2 S. 2 BGB konkretisiert mit "körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen".

Mit dem Verbot körperlicher Bestrafungen wird jede Form der Einwirkung auf den Körper des Kindes zum Zwecke der Erziehung für unzulässig erklärt. Den strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund des elterlichen Züchtigungsrechtes gibt es nicht (mehr).

Ursprünglich hieß es in § 1631 Abs. 2 BGB:

Zitat

"Der Vater kann kraft des Erziehungsrechts angemessene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden."

1957 wurde der Wortlaut zwar verändert, maßgeblich aber aus Gründen der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

Erst im Jahre 2000 wurde das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung eingeführt, obwohl übrigens die UN-Kinderrechtskonvention schon seit dem Jahre 1989 die gewaltfreie Erziehung für Kinder eingefordert hatte.

Und auch anschließend war man sich in unserer Gesellschaft noch nicht einig:

So formulierte Diederichsen noch 2012 in der 71. Auflage des Palandt[171] in der Kommentierung zu § 1631 BGB:

Zitat

"Körperliche Züchtigungen sind … kein institutionalisiertes Erziehungsmittel mehr."

Erst nach Übernahme der Kommentierung durch Frau Dr. Götz[172] wurde der Satz in der 72. Auflage ersetzt wie folgt:

Zitat

"Körperliche Züchtigungen sind unzulässig."

[170] BT-Drucks 14/1247, 7.
[171] Palandt/Diederichsen, 71. Aufl., § 1631 Rn 5 ff. (ab 81. Aufl.: Grüneberg/Bearbeiter*in).
[172] Palandt/Götz, 72. Aufl., § 1631 Rn 5 ff.

bb) Vereinbarung gewaltfreier Erziehung

 

Rz. 211

Auch wenn die Pflicht zur gewaltfreien Erziehung von Kindern gesetzlich normiert ist, kann es Anlass geben, ausdrücklich die Gewaltfreiheit in eine Vereinbarung zu fassen.

Hat sich ein Elternteil im Zeitraum des Zusammenlebens der Familie solcher Übergriffe schuldig gemacht, ist es sinnvoll, die Gewaltfreiheit ausdrücklich zu betonen.

Wollen Kindeseltern die Ehe miteinander schließen und hat es Tätlichkeiten eines Elternteils gegeben, könnte eine Vereinbarung wie folgt getroffen werden:

Muster 7.65: Vereinbarung gewaltfreier Erziehung

 

Muster 7.65: Vereinbarung gewaltfreier Erziehung

1. Herr A hat in der Vergangenheit gegen die Verpflichtung zur gewaltfreien Erziehung unseres Kindes verstoßen. Er bedauert dies und hat sich insoweit auch einer therapeutischen Behandlung unterzogen. Dies vorausgeschickt vereinbaren die Beteiligten:
2. Es bleibt bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Erschienenen für das gemeinsame Kind K im Falle unserer Eheschließung. Für den Fall, dass Herr A zukünftig gegen das Gewaltverbot gem. § 1631 Abs. 2 BGB verstößt, wird Frau B die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich bei dem zuständigen Familiengericht beantragen. Herr A versichert, dem Antrag in einem solchen Fall zuzustimmen.
3. Den Beteiligten ist bekannt, dass die vorstehenden Vereinbarungen beiderseits jederzeit widerrufbar sind.

b) Vereinbarung zu Pflege und Erziehung des Kindes

aa) Grundsätze

 

Rz. 212

Eltern pflegen, erziehen und beaufsichtigen das Kind; sie bestimmen auch seinen Aufenthalt, § 1631 Abs. 1 BGB. Eine gemeinsam getroffene Bestimmung des Lebensmittelpunktes des Kindes bleibt, solange keine anderweitige gerichtliche Regelung getroffen ist, auch nach Trennung der Eltern bindend.[173] Die Personensorge umfasst auch die Vertretung und Regelung bezüglich Angelegenheiten der schulischen Ausbildung.[174] Eltern bestimmen (grundsätzlich) den Umgang des Kindes mit Dritten – § 1632 Abs. 2 BGB.

 

Rz. 213

Die elterliche Sorge ist durch Schutzbedürfnisse, Erziehungsziel und Persönlichkeitsrechte des Kindes gebunden. Der Gesetzgeber hat Erziehungsgrundsätze aufgestellt.

§ 1626 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt, dass die Eltern die wachsende Fähigkeit und das steigende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Dies beinhaltet ein partnerschaftliches Eltern-Kind-Verhältnis.

Ein Eingriff in den Ermessensbereich der Eltern, was nach deren subjektiver Auffassung dem Kindeswohl dient, setzt eine Gefährdung des Kindeswohles im Sinne § 1666 BGB voraus. Außerhalb dieser Grenzen wird auch an einen Verstoß der Eltern gegen Erziehungsgrundsätze keine Folge geknüpft.

[173] AG Bad Iburg FamRZ 2000, 1036.
[174] OVG Münster FamRZ 2002, 232.

bb) Vereinbarung Grundsätzen zu Pflege und Erziehung

 

Rz. 214

Zu Erziehungsgrundsätzen können Eheleute sowohl zu Beginn einer Ehe als auch bei Trennung und Scheidung Vereinbarungen treffen.

Zu Beginn einer Ehe bieten sich Vereinbarungen über Erziehungsgrundsätze vor allem dann an, wenn – zukünftige – Eheleute unterschiedlichen Kulturkreisen entstammen und deshalb über einen Erziehungsstil einig werden müssen.

 

Rz. 215

Eingeordnet in weitere – notarielle – Vereinbarungen kann dies wie folgt formuliert werden.

Muster 7.66: Vereinbarung von Grundsätzen zu Pflege und Erziehung zu Beginn der Ehe

 

Muster 7.66: Verei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge