1. Die objektiven und subjektiven Kriterien

 

Rz. 13

Bei der Errichtung eines Testaments sind neben den materiellen Gestaltungsmöglichkeiten eine Reihe objektiver und subjektiver Kriterien zu beachten. So ist bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung zu bedenken, dass die getroffene Regelung möglicherweise erst Jahre später oder gar Jahrzehnte später zum Tragen kommt. Der Berater muss also bereits im Vorfeld vorhersehbare Entwicklungen so weit wie möglich berücksichtigen.

 

Rz. 14

 

Beispiel

Als Beispiel sei hier der Fall genannt, dass ein Erblasser seine Ehefrau zur Alleinerbin einsetzt und zugunsten der beiden Kinder einen Vermächtnisanspruch in Höhe von je 50.000 EUR aussetzt. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung hatte er ein Vermögen von 1 Mio. EUR, so dass die Vermächtnisse erfüllt werden konnten. Zum Zeitpunkt des Erbfalls ist das Vermögen jedoch weitgehend verbraucht, es besteht lediglich aus einer Summe von 100.000 EUR. Nun stellt sich die Frage, wie die Vermächtnisse zu beurteilen sind – sollen sie sich im Verhältnis des Wertes damals zum aktuellen Wert anpassen oder soll die Ehefrau Alleinerbin werden und sollen die Vermächtnisse, was aufgrund der Summe noch möglich wäre, erfüllt werden.

 

Rz. 15

Werden in Testamente konkrete Beträge aufgenommen, macht es durchaus Sinn zu regeln, was passieren soll, wenn sich der Wert des Nachlasses verringert. Dies kann bspw. in der Form geschehen, dass man den Wert des Vermögens angibt und eine entsprechende Verringerung oder Erhöhung der Vermächtnisse anordnet. Geht es um ein reines Geldvermächtnis, ist regelmäßig ein Quotenvermächtnis, ggf. mit zusätzlicher Angabe eines Maximalbetrages, vorzuziehen.

2. Die Auslegungsregeln

 

Rz. 16

Das BGB kennt eine Vielzahl von gesetzlichen Auslegungsregeln. Diese greifen ein, wenn der Wille des Testierenden nicht eindeutig ist. Um keine Überraschungen zu erleben, sollte der beratende Anwalt sich keinesfalls auf die Auslegungsregeln verlassen, er ist vielmehr verpflichtet, die jeweiligen auslegungsbedürftigen Punkte ausdrücklich zu klären.

 

Rz. 17

Beispielhaft ist hier die Auslegungsregel des § 2069 BGB zu nennen. Sie greift ein, wenn der Erblasser einen Abkömmling bedacht hat, dieser nach Testamentserrichtung wegfällt und ein Ersatzerbe nicht benannt ist. Dann treten im Zweifel an die Stelle des Weggefallenen dessen Abkömmlinge.

3. Die Vererblichkeit des Nachlasses

 

Rz. 18

Grundsätzlich kann der Erblasser über sein Vermögen frei verfügen. Es gibt aber auch Vermögenswerte, über die der Erblasser nicht von Todes wegen verfügen kann. Handelt es sich bei bestimmten Gegenständen bspw. nur um selbst geerbtes Vorerbenvermögen, dann kann der Erblasser hierüber nicht von Todes wegen verfügen bzw. dieses nicht selbst vererben. Das Vorerbenvermögen bildet beim Erblasser ein Sondervermögen. Es vererbt sich, soweit der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt, an den Nacherben und ist an diesen herauszugeben.[5]

Da dem Laien der Unterschied zwischen Voll- und Vorerbschaft in der Regel nicht geläufig ist, sollte der mit der Gestaltung beauftragte Berater eine exakte Überprüfung bezüglich der Herkunft des Vermögens vornehmen. Zu beachten ist, dass neben Immobilienvermögen auch Wertpapiere und Geldvermögen zum Vorerbenvermögen gehören können und bei nicht befreiter Vorerbschaft entsprechend anzulegen bzw. zu hinterlegen sind (vgl. §§ 2116 Abs. 1, 2119 BGB).

 

Rz. 19

Ähnlich wie bei der Vorerbschaft, jedoch lediglich mit schuldrechtlicher Wirkung, kann ein Vermögensgegenstand im Falle des Todes oder zu einem anderen Zeitpunkt durch Benennung eines Nachvermächtnisnehmers an einen Dritten herauszugeben sein (§ 2191 BGB). Mit Eintritt des Erbfalls entsteht zugunsten des Nachvermächtnisnehmers ein Anwartschaftsrecht.[6] Für die Gestaltung bleibt zu prüfen, ob der Erblasser Vermögensgegenstände besitzt, die er selbst geerbt hat und für die ein Nachvermächtnisnehmer benannt ist. Ähnlich verhält es sich mit einem Herausgabevermächtnis oder mit Vermächtnissen, die auf den Tod des Erblassers aufschiebend bedingt sind.

 

Rz. 20

Anders als die Vermögensrechte eines jeden Erblassers sind die höchstpersönlichen, immateriellen Rechte grundsätzlich nicht vererblich.[7] Ausnahmen sind hierbei z.B. die Urheberrechte (§§ 28 Abs. 1, 64 UrhG) und die gewerblichen Schutzrechte, wie etwa § 15 Abs. 1 S. 1 PatG. Auch Schadensersatzansprüche sind grundsätzlich vererblich, und zwar unabhängig davon, ob der Anspruch lebzeitig anerkannt oder rechtshängig gemacht wurde oder der Erblasser selbst den Anspruch geltend gemacht hat.[8]

 

Rz. 21

Nicht vererblich sind dagegen Mitgliedschaftsrechte in Vereinen, es sei denn, dass die Satzung die Vererblichkeit ausdrücklich vorsieht (§§ 38 S. 1, 40 S. 1 BGB).

 

Rz. 22

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erlischt mit dem Tod des jeweiligen Menschen, soweit es dem Schutz ideeller Interessen dient. Nicht vererblich ist daher der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung,[9] und zwar auch dann nicht, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist.[10] Vererblich sind dagegen die ...

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