1. Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen

 

Rz. 18

Nach der ursprünglichen gesetzlichen Konzeption war die Eigentümerversammlung eine Präsenzveranstaltung. Danach konnte der Wohnungseigentümer seine Rechte als Versammlungsteilnehmer nur dort wahrnehmen. Diese Präsenzpflicht lockert § 23 Abs. 1 S. 2 WEG, der erstmals die Möglichkeit einer "Teilnahme" an einem anderen Ort regelt. Die technischen Einzelheiten sind wohl im Hinblick auf den technischen Fortschritt nicht geregelt.[23] Bei entsprechenden technischen Möglichkeiten ist eine Art Fernsehübertragung zulässig. In der Regel wird aber wohl eine Online-Übertragung gewählt. Auch die Form der Wahrnehmung ist nicht geregelt. Das Gesetz schreibt keine wechselseitige Bildübertragung vor. Daher kommt eine Übertragung in Betracht, in der nur der abwesende Wohnungseigentümer die Versammlung verfolgen kann, während ihn die Versammlungsteilnehmer nicht sehen. Letztlich ist sogar eine rein virtuelle Eigentümer"versammlung" möglich, an der kein Wohnungseigentümer persönlich teilnimmt. Auch eine Beschränkung auf die Tonübertragung ist vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Die gegenseitige Wahrnehmung der Redebeiträge wird man aber als Minimum fordern müssen, da ansonsten eine Einwirkung auf die Willensbildung nicht gewährleistet ist.

[23] Vgl. hierzu BT-Drucks 19/18791, S. 69.

2. Beschlussfassung

a) Notwendigkeit der Beschlussfassung

 

Rz. 19

Die Online-Beteiligung an Eigentümerversammlungen ist nicht kraft Gesetzes zulässig. Sie muss durch Beschluss genehmigt sein. Allerdings kann dieser im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ersetzt werden, wenn nur die Gestattung der Online-Teilnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies kann bei weit entfernt wohnenden oder in ihrer Mobilität eingeschränkten Wohnungseigentümern der Fall sein, wenn keine triftigen Gegeninteressen anderer Wohnungseigentümer entgegenstehen.

b) Personenkreis

 

Rz. 20

Die Online-Teilnahme kann durch den Beschluss nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG gleichermaßen allen Wohnungseigentümern gestattet werden, muss es aber nicht. Das Gesetz redet nicht von einem Beschluss, der allen Wohnungseigentümern, sondern nur von einem, der Wohnungseigentümern die Teilnahme von einem anderen Ort aus gestattet. Die Eigentümerversammlung kann diese Möglichkeit etwa im Hinblick auf den technischen Aufwand auf einzelne Wohnungseigentümer beschränken, für die eine persönliche Teilnahme besonders beschwerlich ist.

 

Rz. 21

 

Praxistipp

Soweit das Gesetz nur von Wohnungseigentümern redet, dürfte dieser Wortlaut zu eng gefasst sein. Die Möglichkeit der Online-Teilnahme wird man auch anderen Teilnahmeberechtigten (Insolvenzverwaltern, Bevollmächtigten) eröffnen können. Denn sie treten an die Stelle der Wohnungseigentümer.

c) Wahrnehmung einzelner oder sämtlicher Rechte

 

Rz. 22

§ 23 Abs. 1 S. 2 WEG fordert ferner in dem dort vorgesehenen Beschluss eine Regelung darüber, ob sämtliche oder einzelne Rechte in Abwesenheit ausgeübt werden können. Die Beschränkung auf einzelne Rechte dürfte die Ausnahme sein, etwa bei Stimmrechtsausschlüssen auf die Teilnahme an der Diskussion, nicht aber an der Abstimmung. Ansonsten dürfte es widersprüchlich und daher nicht mit Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung vereinbar sein, die Möglichkeit der Ausübung eines Rechtes in Abwesenheit zu bejahen, für die Ausübung des anderen aber die persönliche Teilnahme zu fordern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die gewünschte Teilnahme in Abwesenheit auf große Entfernung oder Mobilitätseinschränkungen zurückzuführen ist. In der Regel wird man sogar in einem Beschluss, der die Teilnahme aus entfernten Orten gestattet, eine konkludente Zustimmung zur Ausübung aller Rechte sehen müssen.

d) Weiterer Inhalt der Beschlussfassung

 

Rz. 23

§ 23 Abs. 1 S. 2 WEG benennt nur die Personen und die wahrzunehmenden Rechte als Gegenstand der Beschlussfassung. Der Beschluss über die Online-Versammlung kann aber darüber hinausgehen und beispielsweise auch die näheren Modalitäten der Teilnahme (z.B. Ort und technische Ausgestaltung) regeln. Umgekehrt kann er auch bei den in § 23 Abs. 1 S. 2 WEG genannten Beschlussgegenständen nur Richtlinien aufstellen, nach denen die Online-Teilnahme generell zulässig ist. Die Überwachung dieser Richtlinien kann er dem Verwalter übertragen.

3. Grenzen

a) Keine Zwangsteilnahme an Online-Versammlungen

 

Rz. 24

§ 23 Abs. 1 S. 2 WEG stellt lediglich eine zusätzliche Möglichkeit für solche Wohnungseigentümer dar, die nicht persönlich an der Eigentümerversammlung teilnehmen wollen. Die Vorschrift ermächtigt die Eigentümermehrheit nicht, die zwangsweise Durchführung der Eigentümerversammlung als Online-Veranstaltung zu beschließen. Das geht schon aus dem Wortlaut hervor, wonach beschlossen werden kann, "dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen (…) können" (nicht müssen). Die Gesetzesmaterialien bestätigen dies ausdrücklich, wenn sie in aller Deutlichkeit ausführen: "Das Recht jedes Miteigentümers, physisch an der Versammlung teilzunehmen, steht damit nicht zur Disposition der Mehrheit."[24] Ein Beschluss, der für die Zukunft Online-Versammlungen vorsieht, ist in jedem Fall nichtig, da er nicht nur vom Gesetz abweicht, sondern es abstrakt-generell ändern will.

[24] BT-Drucks 19/18791, S. 69.

b) Allgemeine Grundsätze

 

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