Rz. 54

Das Gesetz geht offensichtlich in § 1901a BGB davon aus, dass ein Betreuer oder Bevollmächtigter für den Betroffenen bestellt ist. Teilweise wird daher davon ausgegangen, dass zwingend ein Betreuer oder Bevollmächtigter erforderlich ist, um über die Einwilligung bzw. die Verweigerung der Einwilligung zu entscheiden.[61] Die wohl h.M. geht dagegen davon aus, dass eine hinreichend eindeutige Patientenverfügung nicht nur die ausdrücklich genannten Adressaten, sondern Ärzte, Pflegende, Familienangehörige, Betreuer, das Betreuungsgericht und andere Personen bindet. Die betroffenen Personen haben die Anordnungen in der Patientenverfügung, soweit sie rechtlich zulässig sind, ohne Weiteres auszuführen bzw. zu unterlassen.[62]

 

Rz. 55

Liegt eine schriftliche Patientenverfügung vor und ist eine Maßnahme nach Ansicht des Arztes zu ergreifen (§ 1901b Abs. 1 BGB), prüft der Vertreter nur, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung auf die konkrete Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen zutreffen. Ist das der Fall und gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene seine Entscheidung geändert hat, ist es – nach Konsultation des Arztes und möglicher Anhörung naher Verwandter und weiterer Vertrauenspersonen des Betroffenen (§ 1901b Abs. 1 BGB) – Aufgabe des Betreuers, dem Behandlungswillen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen (§ 1901a Abs. 1 S. 1, 2 BGB). Eine andere Entscheidung ist aufgrund der bindenden Wirkung der Patientenverfügung nicht möglich. Eine Genehmigung der Maßnahme oder des Widerrufs der Einwilligung, z.B. in eine künstliche Ernährung, bedarf dann keiner Genehmigung durch das Betreuungsgericht.[63]

 

Rz. 56

Liegt keine wirksame Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB vor, sind aber Behandlungswünsche des Betroffenen, also Äußerungen, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB nicht genügen, bekannt, hat der Betreuer bzw. der Bevollmächtigte die Behandlungswünsche des Betroffenen umzusetzen. In diesen Fällen bedarf es der Genehmigung durch das Betreuungsgericht gem. § 1904 Abs. 2 BGB. Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten bzw. Vollmachtgebers entspricht. Nach neuer Auffassung des BGH dürfen lebenserhaltende Maßnahmen auch dann abgebrochen werden, wenn keine Grunderkrankung mit einem "irreversibel tödlichen Verlauf" vorliegt. Der geäußerte Wille bzw. Behandlungswunsch muss jedoch hinreichend konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen erkennen lassen.[64]

 

Rz. 57

Der mutmaßliche Wille ist nur hilfsweise heranzuziehen, wenn sich der wirkliche geäußerte Wille des Betroffenen nicht ermitteln lässt. Die bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens anzulegenden Beweismaßstäbe sind streng, gelten aber unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht.[65]

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