Rz. 22

Die Möglichkeit der Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers wird in der Praxis wegen der engen Auslegung des § 2065 Abs. 2 BGB bei der Erbeinsetzung durch den BGH vor allem dort angewandt, wo es darauf ankommt, wirtschaftliche oder ideelle Werte von Todes wegen unmittelbar in die "richtige" Hand zu bringen – insbesondere beim sog. vorzeitigen Unternehmertestament.[44] Da die Fortführung des Betriebes in erster Linie auch von den Fähigkeiten des Nachfolgers abhängt, ist es dem Erblasser gerade in jungen Jahren oftmals nicht möglich, seinen Erben oder Vermächtnisnehmer bereits zu benennen.[45]

Gemäß § 2151 BGB kann der Beschwerte oder der Dritte den Bedachten aus mehreren vom Erblasser benannten potentiell bedachten Personen auswählen.[46] Im Gegensatz dazu ist dies bei § 2065 BGB im Rahmen der Erbeinsetzung wegen des Grundsatzes der materiellen Höchstpersönlichkeit nicht möglich, da insoweit eine Stellvertretung des Erblassers im Willen oder der Erklärung unzulässig ist. Eine Auflockerung des Verbotes der Drittbestimmung nach § 2065 BGB erfolgt im Rahmen der Anordnung von Vermächtnissen durch § 2151 BGB.[47] Danach genügt es, wenn der Erblasser einen bestimmten Personenkreis angibt, aus dem der Dritte durch formlose, empfangsbedürftige und unwiderrufliche Willenserklärung den Bedachten auszuwählen hat.

 

Rz. 23

Zu beachten ist aber, dass auch bei § 2151 BGB der Personenkreis hinreichend bestimmt sein muss.[48] Die Auswahl kann also nicht in das völlige Belieben des Dritten gestellt werden. So liegt keine hinreichende Bestimmtheit vor, wenn der Erblasser lediglich die Einwohner einer Stadt oder die Bürger der Bundesrepublik Deutschland benennt.[49] Gleiches gilt, wenn nur angegeben wird, dass diejenige Organisation, die sich für kranke Kinder einsetzt, das Vermächtnis erhalten soll.[50] Die Zugehörigkeit des Bedachten zu dem auszuwählenden Personenkreis muss zweifelsfrei feststellbar sein.[51] Der Kreis der Bedachten darf insoweit nicht allzu weit ausgedehnt werden.[52] Als Kriterium notwendig ist ein objektiv bestimmbarer, überschaubarer Personenkreis, der vom Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen so genau bestimmt sein muss, dass sich die Zugehörigkeit eines potentiell Bedachten zu diesem Personenkreis zweifelsfrei ergibt. Zu dem auszuwählenden Personenkreis können auch die Erben selbst gehören.[53]

 

Rz. 24

Gleiches gilt auch für den Auswahlberechtigten.[54] Die Bestimmung des Bedachten kann nach freiem Ermessen oder Belieben vorgenommen werden.[55] Der Erblasser kann aber auch bestimmte Auswahlkriterien, nach denen die Bestimmung zu erfolgen hat, im Testament angeben.[56] Falls der Erblasser keinen Bestimmungsberechtigten benannt hat, ist gem. § 2152 BGB der Beschwerte selbst bestimmungsberechtigt. Die Bestimmung selbst erfolgt durch formlose einseitige Willenserklärung. Ist der Beschwerte bestimmungsberechtigt, dann hat sie gegenüber dem ausgewählten Vermächtnisnehmer zu erfolgen. Ist ein Dritter bestimmungsberechtigt, so wird die Erklärung gem. § 2151 Abs. 2 BGB gegenüber dem Beschwerten abgegeben. Das Bestimmungsrecht ist grundsätzlich nicht übertragbar.[57] Es erlischt, wenn der Bestimmungsberechtigte geschäftsunfähig oder verstorben ist. Gleiches gilt für den Fall, dass der Bestimmungsberechtigte gem. § 2151 Abs. 3 BGB trotz Fristsetzung durch das Nachlassgericht eine Auswahl nicht getroffen hat. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Fristsetzung seitens des Nachlassgerichts erfolgt, ohne über die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Verfügung von Todes wegen zu entscheiden.[58] Dies obliegt allein dem Prozessgericht.

 

Rz. 25

Unvorhergesehene Entwicklungen können sich hier insbesondere dann ergeben, wenn nach unterlassener Ausübung des Bestimmungsrechts der Vermächtnisschuldner an einen der Gesamtgläubiger leistet. Gemäß § 2151 Abs. 3 S. 3 BGB ist dieser im Gegensatz zu § 430 BGB nicht zur Teilung verpflichtet.[59] Faktisch führt dies dazu, dass das Auswahlrecht auf den oder die Beschwerten übergeht,[60] und dass dieser mit befreiender Wirkung an einen der Vermächtnisnehmer leisten kann (§ 428 BGB).

[44] Nieder/Kössinger/Kössinger, § 22 Rn 13 f.
[45] Spiegelberger, Rn 680, 683 ff.
[46] Vgl. zur Frage der Ausschlagung nach § 2307 BGB vor der Auswahlentscheidung Hölscher, ZEV 2015, 676.
[47] Zur Rechtsposition des Bestimmungsvermächtnisnehmers vgl. Jünemann, ZEV 2011, 163.
[48] MüKo/Rudy, § 2151 Rn 1.
[49] Lange/Kuchinke, § 29 III 2.b.
[50] Lange/Kuchinke, § 29 III 2.b.
[51] Staudinger/Otte, § 2151 Rn 3.
[52] Palandt/Weidlich, § 2151 Rn 1.
[53] KG JW 1937, 2200; Sudhoff, DB 1966, 650.
[54] Staudinger/Otte, § 2151 Rn 3.
[55] MüKo/Rudy, § 2151 Rn 12.
[56] Brox/Walker, Rn 431 ff.
[57] Palandt/Weidlich, § 2151 Rn 2.
[58] OLG Stuttgart FamRZ 1996, 1175.
[59] Staudinger/Otte, § 2151 Rn 13.
[60] MüKo/Rudy, § 2151 Rn 14.

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