Rz. 64

Die vorbereitenden Handlungen und/oder der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses lösen die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus.

Dabei bleibt zunächst unerheblich, ob die Pfändung und Überweisung in einem Akt oder in zwei Akten[54] erfolgt. Auch bleibt unerheblich, ob sich der Antrag gegen einen oder mehrere Drittschuldner richtet.[55] Werden allerdings zeitlich gestreckt mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse beantragt, weil die erforderlichen Informationen zum Zugriff zeitlich verzögert vorliegen oder zunächst der Erfolg einer Pfändungsmaßnahme abgewartet wurde, so entsteht für jeden Antrag die 0,3-Verfahrensgebühr neu.

 

Rz. 65

Umstritten ist, wie der Gegenstandswert bei der Forderungspfändung zu bemessen ist, insbesondere wenn die Pfändung tatsächlich ins Leere geht. Richtigerweise kommt es darauf nicht an, weil es allgemeinen Grundsätzen entspricht, dass sich der Gegenstandswert nach dem Interesse des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung bemisst. Bei einer Klage wird der Streitwert auch nicht nach Maßgabe des tatsächlichen Erfolges bemessen. Deshalb ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG auf den Nennwert der Vollstreckungsforderung abzustellen.[56] Dem steht der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nicht entgegen, da nach dessen erstem Halbsatz auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung abzustellen ist und die Beschränkung auf den Wert des konkret gepfändeten Gegenstandes aus mehreren Gründen keine Begrenzung bewirken kann:

Zum einen kommt es nicht auf den objektiven Wert an, sondern auf den vom Gläubiger angenommenen Wert zum Zeitpunkt des Antrages. Andernfalls müsste man bei der erfolgreichen Pfändung von Guthaben auf einem Konto den Wert zunächst auch nur in Höhe des monatlichen pfändbaren Betrages festsetzen und ihn dann sukzessive erhöhen. Ob der Schuldner nämlich im nächsten Monat noch über Guthaben verfügt, ist ungewiss. Die Auffassung, es gebe keinen Hinweis auf die subjektive Komponente und sie sei dem Recht des Gegenstandswertes auch fremd,[57] ist unzutreffend. Das subjektive Interesse ist Maßstab der Grundnorm des Gegenstandswertrechtes, § 3 ZPO. Dagegen ist es systemfremd, die anwaltliche Vergütung von dem Erfolg der Bemühungen abhängig zu machen.[58]
Zum zweiten kommt es auf die Ex-ante-Sicht des Gläubigers zum Wert der gepfändeten Forderung im Zeitpunkt der Antragstellung an.[59] Von welchem Wert wollte man ausgehen, wenn nach dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Schuldner Kontakt mit dem Gläubiger aufnimmt und die Forderung vollständig ausgleicht? Müsste man dann erst noch den Wert der gepfändeten Forderung ermitteln?
Zum dritten ist der Begriff des "bestimmten Gegenstandes" auf die Fälle der Herausgabe eines konkreten Gegenstandes zu beziehen, also die Fälle des § 846 ZPO. Es geht dem Gläubiger bei der Pfändung einer gewöhnlichen Geldforderung aber nicht um die "Herausgabe" der gepfändeten Forderung. Sein Fokus liegt auf der Realisierung des Vollstreckungsanspruchs.
 

Rz. 66

Nach anderer Ansicht[60] soll der RA dagegen lediglich die 0,3-Verfahrensgebühr aus einem Wert bis 500,00 EUR unter Berücksichtigung der Mindestgebühr nach § 13 Abs. 2 RVG, d.h. 15,00 EUR netto erhalten. Die Sichtweise überzeugt nicht. Den Wortlaut von § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG kann sie wie gezeigt nicht für sich in Anspruch nehmen. Darüber hinaus ist sie für die praktische Anwendung nicht geeignet. So bleibt unklar, wie etwa verfahren werden soll, wenn die Pfändung wegen vier vorrangiger Gläubiger zunächst ins Leere geht, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass der pfändende Gläubiger doch noch später zum Zug kommt, oder wenn das Finanzamt mitteilt, dass ein Steuererstattungsanspruch nicht besteht, jedoch noch ein Einspruchsverfahren läuft, welches zu einem Erstattungsanspruch führen könnte, oder beispielsweise der Schuldner wegen einer Teilzeitbeschäftigung derzeit keinen pfändbaren Arbeitslohn bezieht, eine Aufstockung der Stunden aber nicht ausgeschlossen ist. Kaum mehr beherrschbar sind die Fälle, in denen unterschiedliche Forderungen bei verschiedenen Drittschuldnern gepfändet werden.

 

Rz. 67

Die Vorpfändung nach § 845 ZPO bereitet die eigentliche Pfändung und Überweisung vor, so dass die 0,3-Verfahrensgebühr zwar mit der Ausfertigung der Vorpfändungsbenachrichtigung und dem Zustellungsantrag entsteht,[61] damit aber keine neue Verfahrensgebühr anfällt, wenn nach der Vorpfändung die Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses noch erforderlich wird.[62]

[54] So darf bei der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO ebenso nur der Pfändungsbeschluss beantragt werden wie in den Fällen des § 852 ZPO.
[55] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 207 ff.
[56] OLG Sachsen-Anhalt NJW-RR 2014, 1151 = AGS 2014, 516; LG Hamburg AnwBl. 2006, 499; LG Düsseldorf AGS 2006, 86; LG Kiel JurBüro 1991, 1198; Hartmann, Kostengesetze, § 25 Rn 5.
[57] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 25 Rn 18.
[58] LG Mannheim JurBüro 2015, 328.
[59] LG Koblenz AGS 2005,...

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