Rz. 30

Diese Tatbestandsvoraussetzung ist weit gefasst, jedoch kein Auffangtatbestand.[44] Reicht es doch aus, dass "sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen". Es kommen also alle tatsächlichen Umstände in Betracht, die darauf hindeuten, dass der Betreffende einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht hinreichend sicher trennen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es um die Anordnung einer Aufklärungsmaßnahme geht, also ein entsprechendes fehlendes Trennvermögen zu klären ist. Es müssen konkrete Zweifel an der Fahreignung bestehen. Es reichen daher nach allgemeinen Grundsätzen[45] Umstände aus, die diesen Mangel als nahe liegend erscheinen lassen. Das wird dann angenommen werden können, wenn ein wenigstens mittelbarer, ein innerer Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr erkennbar ist.[46] Die Gesamtregelung in § 13 Nr. 2 FeV ist so zu verstehen, dass die Vorschrift grundsätzlich voneinander unabhängige Fälle normiert, in denen wegen ähnlich gewichtiger Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als erforderlich anzusehen ist.[47]

 

Rz. 31

Vor dem Hintergrund der auf dem Spiel stehenden Grundrechte der übrigen Verkehrsteilnehmer (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG schützt Leben und körperliche Unversehrtheit) und mit Blick auf die durch die Verkehrseröffnung durch den Staat sich ergebende Garantenstellung und staatliche Schutzpflicht, werden bei nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz stehendem Alkoholgenuss Maßnahmen zumindest dann auf § 13 Nr. 2a Alt. 2 FeV gestützt werden müssen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die in der Gesamtschau den polizei- und ordnungsrechtlichen Anforderungen an ein Einschreiten bei Gefahrenverdacht genügen. Dabei ist nicht jeder geringfügige Anhaltspunkt ausreichend. Es müssen vielmehr in dem genannten Sinn erhärtete Tatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch rechtfertigen können. Anonyme Hinweise reichen ebenso wenig aus wie bloße Vermutungen.[48] Untersuchungen "ins Blaue" hinein bleiben auch hier rechtswidrig.[49]

 

Rz. 32

Der Gefahrenverdacht, der Gefahrenerforschungsmaßnahmen und Gefahrenerforschungseingriffe rechtfertigt,[50] ist nämlich gerade an einen Rechtsrahmen gebunden. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Gefahrenerforschungseingriffen hat das BVerwG beschrieben.[51] Auf diese Entscheidung des BVerwG verweist auch das BVerfG in seiner Cannabisentscheidung.[52]

 

Rz. 33

Danach ist die Gutachtenanforderung nur rechtmäßig, wenn

1. aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des betroffenen Kraftfahrers bestehen und
2. die angeordnete Überprüfung ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel ist, um gerade die konkret entstandenen Eignungszweifel aufzuklären.

Diese Grundsätze gelten auch hier.

 

Rz. 34

Die Beachtung der soeben beschriebenen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Gefahrenverdacht enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung zu exakter Untersuchung im Einzelfall. Bei Fällen eines greifbaren Gefahrenverdachts darf die Behörde – übrigens auch vor dem Hintergrund geltenden Amtshaftungsrechts – nicht sehenden Auges untätig bleiben, bis sich die Gefahrenverdachtssituation als Schadensereignis realisiert hat.

[44] BayVGH, Beschl. v. 20.3.2009, BA 2009, 299; Mahlberg, DAR 2010, 1 ff.; a.A. VG Oldenburg DAR 2010, 42 und VGH BW, Urt. v. 29.7.2002, zfs 2002, 555 – Auffangfunktion.
[45] BVerfG, Urt. v. 24.6.1993, BVerfGE 89, 69 = NJW 1993, 2365; BVerwG, Urt. v. 5.7.2001, NJW 2002, 78.
[46] BayVGH, Beschl. v. 20.3.2009, BA 2009, 299.
[47] BayVGH, Beschl. v. 20.3.2009, BA 2009, 299.
[48] OVG Saarland zfs 2001, 92.
[49] OVG RP zfs 2003, 103.
[50] OVG Saarland zfs 2001, 92, 94 unter Hinweis auf Haus/Wohlfarth, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 225.
[51] BVerwG zfs 2002, 47, 48 f. unter Hinweis auf BVerwG zfs 1997, 39.
[52] BVerfG zfs 2002, 454, 458.

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