Rz. 480

 

Beispiel: § 765a ZPO

Aufgrund eines ordnungsgemäßen Räumungsurteils soll die Wohnung der 80-jährigen Mandantin M in 2,5 Wochen geräumt werden. Die Mandantin ist jedoch unglücklich gestürzt und erlitt einen komplizierten Oberschenkelhalsbruch. Da sie Sozialhilfeempfängerin ist und auch sonst keine Freunde und Verwandten mehr hat, bittet sie Sie um Hilfe, einen Räumungsaufschub zu erstreiten.

 

Rz. 481

§ 765a ZPO gilt als Generalklausel für den Vollstreckungsschutz und soll den Schuldner von Vollstreckungsmaßnahmen schützen, wenn diese wegen ganz besonderer Umstände nicht mit den guten Sitten vereinbar sind und überwiegende Gläubigerinteressen dem nicht entgegenstehen. Die Vorschrift ist als ultima ratio anzusehen und ist daher sehr eng auszulegen.

 

Rz. 482

Der Antrag nach § 765a ZPO ist nicht fristgebunden, es muss lediglich ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen. Das bedeutet, dass der Schuldner den Antrag stellen kann, sofern eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme droht oder eingeleitet wurde. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist der Antrag jedoch nicht mehr zulässig, da in diesem Fall kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht.

 

Rz. 483

Eine Ausnahme zu dem oben beschriebenen besteht allerdings bei Räumungsangelegenheiten.

Der Schuldner muss den Antrag gem. § 765a Abs. 3 ZPO spätestens zwei Wochen vor dem Räumungstermin stellen. Eine Ausnahme zu dieser Frist besteht für die Fälle, in denen der Schuldner ohne Verschulden die 2-Wochen-Frist nicht einhalten konnte, oder die Gründe, auf die der Antrag gestützt ist, erst nach Ablauf dieser Frist eingetreten sind.

 

Rz. 484

Im Beispielsfall müsste die Mandantin den Antrag also mindestens 2 Wochen vor dem terminierten Räumungstermin stellen. Aufgrund ihrer Erkrankung und ihres Umfeldes müsste das Gericht dem Antrag bei entsprechendem Vortrag wohl stattgeben, wobei die Interessenabwägung des Gerichts natürlich nicht 100-%ig vorausgesagt werden kann.

 

Rz. 485

Muster 5.17: Räumungsschutzantrag gem. § 765a ZPO

 

Muster 5.17: Räumungsschutzantrag gem. § 765a ZPO

Amtsgericht

– Vollstreckungsgericht –
_________________________

EILT SEHR BITTE SOFORT VORLEGEN!

Antrag gem. § 765a ZPO

_________________________

(Vorname, Name, Anschrift)

Gläubigerin,

Verfahrensbevollmächtigter: _________________________

(Name Rechtsanwalt, Anschrift)

gegen

_________________________

(Vorname, Name, Anschrift)

Schuldner,

Namens und in Vollmacht der Schuldnerin beantrage ich,

1. die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils des Amtsgerichts vom _________________________ (Datum), _________________________ (Geschäftszeichen), wegen der Räumung der Wohnung in der _________________________ (Straße, PLZ), bestehend aus _________________________ (Bezeichnung der Räume) einstweilen einzustellen
2. der Schuldnerin eine Räumungsfrist von drei Monaten (ggf. länger) zu gewähren.
3. die Zwangsvollstreckung – ohne Sicherheitsleistung – einzustellen.

Begründung:

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus dem im Antrag Nr. 1. bezeichneten Räumungstitel. Die Schuldnerin bewohnt die im Antrag zu Nr. 1 benannte Wohnung.

Gemäß der Mitteilung des Gerichtsvollziehers findet der Räumungstermin am _________________________ (Datum) statt.

 
Beweis: Vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Amtsgerichts _________________________ vom _________________________ (Datum) im Original anbei.
  Mietvertrag vom _________________________ (Datum) im Original bei.
  Mitteilung des Gerichtsvollziehers vom _________________________ (Datum) im Original anbei.

Die Räumung der Wohnung zum anberaumten Räumungstermin stellt für die Schuldnerin eine besondere Härte im Sinne der Vorschrift des § 765a ZPO dar.

Bei der Schuldnerin handelt es sich um eine 80-jährige Frau, die keinerlei Verwandte mehr hat. Die Schuldnerin ist auf sich allein gestellt und hat keine Freunde und Bekannten, die ihr Hilfe und Unterstützung in dieser Lage bieten könnten.

Die Schuldnerin hat sich bei einem Sturz am _________________________ (Datum) schwere Verletzungen durch einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen und leidet an starken Schmerzen. Sie ist nicht in der Lage, das Haus zu verlassen und ist bettlägerig. Die Schuldnerin ist aus diesem Grund nicht in der Lage, innerhalb von drei Monaten eine Ersatzwohnung anzumieten und zu beziehen.

Die Inanspruchnahme eines Sozialen Dienstes wegen einer anderweitigen Unterbringung der Schuldnerin kann aufgrund des nahen Räumungstermins, der erheblichen Verletzung der Schuldnerin und der damit verbundenen Bettlägerigkeit nicht gewährleistet werden.

Zudem wäre die Schuldnerin im Fall einer zwangsweisen Räumung obdachlos.

Aufgrund der erlittenen Verletzungen hat sich zudem der psychische Zustand der Schuldnerin erheblich verschlechtert.

 
Beweis: Ärztliches Attest vom _________________________ (Datum) im Original anbei.
  Eidesstattliche Versicherung der Schuldnerin im Original anbei.

Die Schuldnerin ist aufgrund ihres geringen Einkommens nicht in der Lage, eine Sicherheitsleistung zu leisten.

D...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge