Rz. 85

Prozessführungsbefugnis ist die Befugnis, ein Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Sie gibt Auskunft darüber, wer die richtige Partei ist.[86]

 

Rz. 86

Die Prozessführungsbefugnis ist von der (materiellen) Aktiv- oder Passivlegimitation zu unterscheiden. Die Begriffe der Aktiv- und Passivlegimitation beschreiben die materielle Sachbefugnis und gehören damit zur Begründetheit der Klage, nicht jedoch zur Zulässigkeit. Die Prozessführungsbefugnis regelt demgegenüber, ob jemand ein eigenes oder fremdes Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend machen kann und gehört daher zur Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage. Der formelle Parteibegriff ermöglicht die Begründung von Prozessverhältnissen zwischen Personen, die materiell-rechtlich in keinerlei Beziehung zueinander stehen. Um der Gefahr von Popularklagen vorzubeugen, muss die Prozessführungsbefugnis vorliegen. Sie ist von Amts wegen zu prüfen. Bei fehlender Prozessführungsbefugnis ist die Klage als unzulässig abzuweisen.[87]

 

Rz. 87

Die Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen wird als Prozessstandschaft bezeichnet. Sie kann kraft gesetzlicher Ermächtigung – als sogenannte gesetzliche Prozessstandschaft – oder aufgrund der Ermächtigung auf Seiten des Inhabers des Rechts – als gewillkürte Prozessstandschaft – vorkommen.

[86] Vgl. Zöller/Vollkommer, vor § 50 ZPO Rn 18; Musielak/Voit/Weth, ZPO, § 51 Rn 14.
[87] Vgl. Musielak/Voit/Weth ZPO § 51 Rn 15 sowie Zöller/Vollkommer, vor § 50 ZPO Rn 19.

a) Gesetzliche Prozessstandschaft

 

Rz. 88

Bei der gesetzlichen Prozessstandschaft erfolgt die Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung.

 

Rz. 89

Fälle der gesetzlichen Prozessstandschaft sind:

Prozessführung kraft Amtes: Z.B. Insolvenzverwalter (§ 80 InsO), vorläufiger Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 1 InsO), Zwangsverwalter (§ 152 ZVG), Testamentsvollstrecker (§§ 2197 ff. BGB) oder Nachlassverwalter (§§ 1981 ff. BGB).
Prozessführung kraft prozessrechtlicher Ermächtigung: Gem. § 265 ZPO bleibt bei einer Veräußerung oder Abtretung der streitbefangenen Sache während eines Rechtsstreits der Veräußerer zur Prozessführung weiter berechtigt, wenn nicht der Erwerber in den Prozess eintritt. Dies gilt in gleicher Weise bei Verpfändung, Nießbrauchbestellung oder Pfändung und Überweisung eines streitbefangenen Gegenstandes nach Rechtshängigkeit.[88]

Prozessführung kraft materiell-rechtlicher Ermächtigung – Fälle:

Der das Gesamtgut verwaltende Ehegatte bei der Gütergemeinschaft (§ 1422 BGB). Bei fortgesetzter Gütergemeinschaft hat der überlebende Ehegatte die Prozessführungsbefugnis hinsichtlich des Gesamtgutes (§§ 1422, 1487 Abs. 1 BGB); der nicht bzw. nicht allein verwaltende Ehegatte ist in den Fällen der §§ 1429, 1454, 1428, 1455 Nr. 8 BGB gesetzlicher Prozessstandschafter.
Bei der Erbengemeinschaft gibt § 2039 BGB den einzelnen Miterben die Prozessführungsbefugnis zur Durchsetzung von Nachlassansprüchen gegen Dritte. § 2039 BGB gilt nicht für Gestaltungsklagen.[89]
Bei Personengesellschaften können Ansprüche der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen Mitgesellschafter (sogenannte Sozialansprüche) auch von einzelnen Gesellschaftern in eigenem Namen mit dem Ziel der Leistung an die Gesellschaft geltend gemacht werden (sog. actio pro socio).[90] Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte können grundsätzlich nicht im Wege der actio pro socio durchgesetzt werden.[91] Eine Ausnahme gilt allerdings in den Fällen des kollusiven Zusammenwirkens zwischen einzelnen Mitgesellschaftern und dem Dritten.[92] Scheidet der im Wege des actio pro socio klagende Gesellschafter während des Rechtsstreites aus der Gesellschaft aus, so führt dies zur Unzulässigkeit der actio pro socio. § 265 ZPO findet keine Anwendung.[93]
Klagen eines Mitgläubigers nach § 432 Abs. 1 S. 2 BGB.
Bei Bruchteilsgemeinschaften ist im Rahmen der Notprozessführung gem. § 744 Abs. 2 BGB der einzelne Mitberechtigte ebenfalls gesetzlicher Prozessstandschafter.[94]
Ebenfalls ist bei einer Klage eines von mehreren Miteigentümern aus dem Eigentum gegenüber einem Dritten dieser gesetzlicher Prozessstandschafter.[95]
Prozessführung des WEG-Verwalters gem. § 27 Abs. 2 Nr. 2 und 3 WEG.
[89] Vgl. Musielak/Voit/Weth, ZPO, § 51 Rn 21.
[90] Vgl. BGHZ 25, 49; BGH NJW 1973, 2199; 1985, 2830; 1992, 1892; 2001, 1210.
[91] Vgl. BGH NJW 1973, 2198; 1988, 1585.
[92] Vgl. BGHZ 17, 340 = NJW 1955, 1393; BGHZ 39, 14 = NJW 1963, 461; BGHZ 102, 152 = NJW 1988, 558.
[93] Vgl. OLG Karlsruhe NJW 1995, 1296; abl. Hörstel, NJW 1995, 1271.
[94] Vgl. BGHZ 94, 117 = NJW 1985, 1826; BGHZ 110, 220 = NJW 1999, 1106.
[95] Vgl. BGHZ 79, 245 = NJW 1981, 1079; BGH NJW 1985, 2825; Musielak/Voit/Weth, ZPO § 51 Rn 23; abl. Zöller/Vollkommer, vor § 50 ZPO Rn 26 m.w.N.

b) Gewillkürte Prozessstandschaft

 

Rz. 90

Bei der gewillkürten Prozessstandschaft beruht die Prozessführungsbefugnis auf einer Ermächtigung durch den Rechtsinhaber. Zulässig ist hierbei grundsätzlich die gewillkürte aktive Prozessstandschaft, nicht aber eine gewillkü...

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