Rz. 3

Zunächst stellt sich immer die Frage, ob zwischen der Pflichtverletzung des Anwalts und dem geltend gemachten Schaden eine ursächliche Verknüpfung im logischen Sinne besteht, das dem Anwalt vorgeworfene Handeln oder Unterlassen also als "conditio sine qua non" nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt.

I. Grundsatz

 

Rz. 4

Der rechtliche Ansatzpunkt der in diesem Bereich vorzunehmenden Prüfung ist in Theorie und Praxis nicht umstritten. Die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen einer anwaltlichen Pflichtverletzung und dem Schaden des Mandanten beantwortet sich nicht danach, ob der Mandant dem pflichtwidrigen Rat des Anwalts gefolgt ist oder aus eigenem Antrieb gehandelt hat, sondern danach, wie er sich verhalten hätte, wenn er richtig beraten worden wäre.[1] Bestand die Pflichtverletzung in einem positiven Tun, so ist zu fragen, wie sich das Vermögen des Verletzten ohne die pflichtwidrige Handlung entwickelt hätte. Ist dem Anwalt dagegen eine Unterlassung vorzuwerfen, muss untersucht werden, wie die Dinge gelaufen wären, wenn er die versäumte Handlung pflichtgemäß vorgenommen hätte.[2] Der Richter hat damit im Prozess einen hypothetischen Tatsachenverlauf aufzuklären – denjenigen, der bei vertragsgerechtem Verhalten des Anwalts eingetreten wäre. Dies hat jedoch nichts mit den Fragen des rechtmäßigen Alternativverhaltens und der hypothetischen Kausalität zu tun. Jene Begriffe umschreiben Probleme wertender Zurechnung. Hier geht es dagegen allein um die reale Kausalität einer Pflichtwidrigkeit als notwendige Voraussetzung des geltend gemachten Schadens.[3]

[1] BGH, NJW 2002, 593.
[2] BGH, NJW 1990, 2128, 2129; vgl. auch BGH, WM 1988, 1454, 1455; BGH, NJW-RR 1990, 462, 463; BGH, NJW 2002, 593.
[3] BGH, WM 1988, 1454; BGH, NJW 1992, 2694, 2695.

II. Haftungsausfüllende Kausalität

 

Rz. 5

Bei Vertragsverletzungen bildet das der übernommenen Pflicht entsprechende Interesse des Vertragspartners das geschützte Rechtsgut. Der Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Pflicht, durch den der Partner so betroffen wird, dass für ihn nachteilige Folgen eintreten können, ist daher der nach § 286 ZPO zu beweisende Haftungsgrund.[4]

 

Rz. 6

Alle weiteren Tatsachen, insb. die Feststellung, dass infolge der Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, gehören zur haftungsausfüllenden Kausalität. Deshalb wird für den Beweis, dass die Vertragsverletzung zum Schaden geführt hat, nach ständiger Rechtsprechung die Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO herangezogen.[5]

 

Rz. 7

Zur haftungsausfüllenden Kausalität zählt auch die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Beratung verhalten hätte.[6] Dies ist schon deshalb berechtigt, weil die Handlung des Mandanten – etwa mit Abgabe einer rechtlich ungünstigen Willenserklärung – bereits unmittelbar den Schaden herbeiführen kann. Abgesehen davon lässt sich für die Zuordnung zu § 287 ZPO zusätzlich ins Feld führen, dass allein die tatsächlichen Geschehnisse exakter Feststellung zugänglich sind, bei Würdigung des Ursachenzusammenhangs zwischen Pflichtverstoß und dem eingetretenen Schaden dagegen hypothetische Erwägungen notwendig werden. Diesen aus der Art des Schadens herrührenden Beweisschwierigkeiten wird nur ein Verfahren, wie es in § 287 Abs. 1 ZPO vorgesehen ist, gerecht.[7]

 

Rz. 8

Nach § 287 ZPO reicht für die richterliche Überzeugung eine überwiegende, auf gesetzlicher Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus.[8] Dies wirkt sich auch auf die Darlegungslast des Geschädigten aus. Es genügt, dass er Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten. An die Darlegung eines hypothetischen Geschehens dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.[9] Die Frage nach dem hypothetischen Verhalten des Mandanten ist nach der Interessenlage im Zeitpunkt der Beratung zu beantworten; spätere Erkenntnisse sind insoweit nicht maßgeblich.[10] Lässt der Kläger offen, für welche von mehreren Vorgehensweisen er sich bei vertragsgemäßer Belehrung entschieden hätte, so ist die notwendige Schadenswahrscheinlichkeit nur zu bejahen, wenn diese sich für alle in Betracht zu ziehenden Ursachenverläufe ergibt.[11] Genügt das Vorbringen des Klägers den danach zu stellenden Anforderungen, so kann die Frage, wie sich der Mandant bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, auch durch Vernehmung des Klägers als Partei nach § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO geklärt werden.[12]

 

Rz. 9

Nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO bleibt es dem Ermessen des Gerichts überlassen, inwieweit es eine beantragte Beweisaufnahme durchführt. Das Gericht überschreitet jedoch in aller Regel die Grenzen seines Ermessens, wenn es davon absieht, die für zentrale Haupttatsachen seines bestrittenen Vorbringens vom Kläger benannten Zeugen zu vernehmen. Die gesetzliche Regelung rechtfertigt es nicht, in einer für die Streitentscheidung zentralen Frage den angebotenen Zeugenbeweis zu übergehen und sich mit der Würdigung von Indiztatsachen zu begnügen.[13] Hängt etwa der geltend gemachte Anspruch allein dav...

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