aa) Allgemeine Grundlagen

 

Rz. 112

Zum 1.11.2007 trat das "Grundgesetz der Finanzmärkte", die EU-Richtlinie über Märkte und Finanzinstrumente (kurz: MiFID)[72] auch für Deutschland in Kraft.

Wesentliche Ziele der MiFID sind die Erhöhung der Transparenz im Markt, die Stärkung des Wettbewerbs unter den Anbietern von Finanzdienstleistungen sowie vor allem eine Verbesserung und die EU-weite Vereinheitlichung des Anlegerschutzes. Direkt betroffen sind so genannten Wertpapierfirmen, die unter der Aufsicht des Gesetzgebers stehen. Zu dieser Gruppe der beaufsichtigten Unternehmen gehören u.a. Kreditinstitute, Fondssparplattformen, beaufsichtigte Anlageberater und Vermögensverwalter. Darüber hinaus sind auch Handelsplattformen (Börsen) betroffen.

 

Praxishinweis

Nicht unter die MiFID fallen jedoch geschlossene Fonds und unabhängige Investmentvermittler. Diese fallen somit aus der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin heraus. Dies sollte der Testamentsvollstrecker bei seiner Auswahl beachten.

[72] Die MiFID = Markets.in.Financial.Instruments.Directive Finanzmarktrichtlinie gehen auf einen Beschluss der EU-Kommission vom 21.4.2004 zurück. In Deutschland erfolgte die Implementierung über das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) im Jahresverlauf 2007.

bb) Angemessenheits- und Geeignetheitsprüfung

 

Rz. 113

Im Rahmen dieser Prüfung hat jeder unter die Regelungen der MiFID fallende Anbieter eine Klassifizierung seiner Kunden in die Gruppen Privatkunden, Professionals und Eligible Counterparties (geeignete Gegenparteien) vorzunehmen. Jeder Kunde muss zudem über seine Einstufung informiert werden und kann eine Herauf- oder Herabstufung beantragen. Privatkunden müssen seither wesentlich umfangreicher befragt werden als früher. Die Klassifizierung bildet die Basis für die Aufklärungspflichten. In der Anlageberatung unterscheidet man zwei Prüfebenen. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung soll sich der Berater darüber Vergewisserung verschaffen, ob der Kunde aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen die mit dem Geschäft verbundenen Risiken verstehen kann. Bei der Geeignetheitsprüfung ist zu beurteilen, ob das konkrete Geschäft den Anlagezielen (Anlagezweck, Anlagedauer, Risikobereitschaft) des Kunden entspricht und die Risiken für ihn finanziell tragbar sind. Die Beurteilung ist auf die Gesamtvermögensstruktur und die geplante Anlagedauer des Depotinhabers abzustellen. Die Finanzdienstleister sind zu umfangreichen Dokumentationen verpflichtet. Sofern der Kunde die Auskunft über erforderliche Kundenangaben verweigert, darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen keine Anlageberatung durchführen (§ 31 Abs. 4 S. 3 WpHG).

 

Rz. 114

Im Anlagegeschäft werden Kunden mit einer Fülle von Unterlagen vertraut gemacht, welche im Ergebnis – gleichsam wie der Medikamentenzettel – alle Risiken und Nebenwirkungen eines Anlagevehikels dezidiert darzustellen versuchen. Für die Aufgabenstellung eines Testamentsvollstreckers kommt u.E. der Geeignetheitsprüfung eine besondere Aufmerksamkeit zu. Die Vorgaben für die Beurteilung der Geeignetheit finden sich in § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG, Art. 54 Abs. 2 MiFID II-DVO. Folgende Aspekte sind zu beachten:

Das Finanzinstrument entspricht den Anlagezielen des Kunden.
Die Anlagerisiken sind für den Kunden finanziell tragbar.
Der Kunde versteht auf Grund seiner Erfahrungen und Kenntnisse die Anlagerisiken.

Eingebettet im Gesetzestext Art. 54 Abs. 12 Unterabs. 1 MiFID II DVO liest sich das wie folgt:

Zitat

"(...) inwiefern die abgegebene Empfehlung zum betreffenden Kleinanleger passt, was auch Informationen darüber einschließt, inwieweit sie auf die Ziele und persönlichen Umstände des Kunden hinsichtlich der erforderlichen Anlagedauer, der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden sowie seiner Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit abgestimmt wurde."

Umschichtungsempfehlungen müssen einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden, um – salopp formuliert – es nicht zum Phänomen kommt: hin und her, Taschen leer durch permanentes "Drehen" eines Depots.

 

Praxishinweis

Der Testamentsvollstrecker, der sich eines unter die Regelungen der MiFID fallenden Dienstleisters bedient, ist gut beraten, im Rahmen der ihn treffenden Pflicht zur Überwachung des eingeschalteten Dritten die Einhaltung der Richtlinien durch den Anbieter zumindest stichprobenartig zu kontrollieren.

cc) Zulässigkeit und Offenlegung von Vergütungen

 

Rz. 115

Nach § 31d Abs. 1 WphG ist der Kunde und damit auch der sich der Dienstleistungen bedienende Testamentsvollstrecker vor der Erbringung einer Wertpapierdienstleistung über den für das Finanzinstrument bzw. die jeweilige Dienstleistung zu zahlenden Gesamtpreis zu informieren.

Hierzu müssen Art, Höhe und Berechnungen der Kosten und anderer Zahlungsverpflichtungen (Gebühren, Provisionen, Entgelte etc.) offengelegt werden.

 

Praxishinweis

Der Gesetzgeber sieht in der ersten Stufte nur eine allgemeine Information des Kunden bei der Beratung über Existenz, Art und Umfang von Zuwendungen vor. Eine Verpflichtung zur detaillierten Offenlegung besteht nur auf explizite Nachfrage. Da der Testamentsvollstrecker zu...

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