Rz. 297

Bleiben versicherte Gebäude für längere Zeit unbewohnt, begründet dies die Gefahr, dass spielende Kinder, Einbrecher, Landstreicher oder sonstige Unbefugte in das Gebäude eindringen und dadurch die Gefahr eines Brandes erhöhen. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist das längere Leerstehen eines Wohngebäudes gefahrerhöhend, sofern das Gebäude kraft seiner Lage oder seines Zustandes Unbefugte dazu einlädt, in ihm Unterschlupf zu suchen und der Versicherungsnehmer hiergegen keine Vorkehrungen getroffen hat.[331]

Der Leerstand allein reicht für eine Gefahrerhöhung nicht aus.[332] Neben dem Leerstand des Wohngebäudes müssen besonders erschwerende Umstände hinzutreten, wie beispielsweise

Ortsrandlage,[333]
verwahrloster Zustand des Gebäudes,[334]
Lagerung von Gerümpel,[335]
erleichterter Zugang zum Gebäude,[336]
Duldung der Tatsache, dass das Gebäude von Nichtsesshaften zur Wohnung benutzt wird,[337]
Duldung der Tatsache, dass das Gebäude von jugendlichen Besetzern bewohnt wird bei gleichzeitigem Abschalten der Stromzufuhr, weil dadurch Gefahr eines offenen Feuers erhöht wird.[338]
 

Rz. 298

Maßstab für die Gefahrerhöhung ist im Übrigen ein Vergleich der Zustände bei Vertragsabschluss und bei Eintritt des Schadenfalls. Lag bereits bei Abschluss des Vertrages eine Verwahrlosung oder ein Leerstand vor, kann bereits begrifflich nicht von einer "Erhöhung" der versicherten ­Gefahr gesprochen werden.[339]

 

Rz. 299

Zwar kann der durch einen Leerstand begründeten Gefahrerhöhung durch Maßnahmen zur ­Gefahrenkompensation begegnet werden. Hieran werden jedoch strenge Anforderungen ­gestellt.[340]

Dieselbe Problematik gilt für stillgelegte Betriebe. Zwar stellt die Betriebsstilllegung grundsätzlich auch eine Gefahrminderung dar, weil die verschiedenen mit der Unterhaltung des Betriebes verbundenen Feuergefahren nunmehr abgestellt sind. Andererseits werden durch den Leerstand des Gebäudes weitere Risiken begründet, die vom Versicherer bislang bei der Risikokalkulation keine Berücksichtigung fanden und unter Umständen schwerer wiegen als die mit dem Betrieb des Gebäudes verbundenen Feuerrisiken.[341]

In jedem Fall muss der Versicherungsnehmer Kenntnis von den die Gefahrerhöhung begründenden Umständen des Leerstands und der Verwahrlosung haben.[342]

[331] Langheid/Wandt/Reusch, § 23 Rn 187 ff.; Prölss/Martin/Armbrüster, § 23 VVG Rn 47 u.a. mit Verweis auf BGH VersR 1982, 466; OLG Celle v. 24.9.2009 – 8 U 99/09, r+s 2010, 65; OLG Köln zfs 2000, 397, 398.
[332] BGH v. 13.1.1982 – IVa ZR 197/80, VersR 1982, 466; OLG Karlsruhe VersR 1997, 1225; OLG Köln r+s 1997, 424; OLG Rostock v. 16.7.2007 – 6 U 171/06, VersR 2008, 72 ff.
[333] U.a. OLG Saarbrücken NJW-RR 2004, 1339.
[334] BGH VersR 1982, 466, OLG Koblenz NJW-RR 2005, 825; LG Darmstadt zfs 2005, 352.
[335] BGH r+s 1983, 260.
[336] OLG Köln zfs 1986, 59; OLG Frankfurt v. 16.2.2009 – 12 U 233/07.
[337] LG Münster r+s 1997, 382.
[338] OLG Hamm r+s 1997, 514.
[339] OLG Düsseldorf VersR 1997, 231.
[340] OLG Saarbrücken NJW-RR 2004, 1339.
[341] Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu vgl. u.a. Langheid/Rixecker/Langheid, § 23 Rn 61; Langheid/Wandt/Reusch, § 23 Rn 195.
[342] Langheid/Wandt/Reusch, § 23 Rn 197 ff.; OLG Karlsruhe r+s 1997, 207.

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