Rz. 60

Zunächst gilt der Grundsatz, dass ein Schädiger keinen Anspruch darauf hat, einen Gesunden zu schädigen, sondern dass er sein Opfer mit dessen konkreter körperlicher und psychischer Konstitution hinnehmen muss, so wie es ist.

 

Rz. 61

In der Regulierungspraxis wird immer wieder suggeriert, dass ein vorgeschädigtes Opfer keinerlei Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche hat. Das ist definitiv nicht richtig! Eine Vorschädigung stellt keinen haftungsrechtlichen Ausschlusstatbestand dar.

 

Rz. 62

So hält der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung daran fest, dass dem Schädiger auch die Auswirkungen seiner Verletzungshandlung zuzurechnen sind, die sich ergeben, weil der Verletzte bereits einen Vorschaden hatte oder eine grundsätzlich konstitutionelle Schwäche aufweist (BGH NJW 1989, 2616).

 

Rz. 63

Allerdings darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Extremfällen die Haftung trotz adäquater Kausalität wegen fehlenden Zurechnungszusammenhangs vollständig entfallen kann. In der Mehrzahl der Fälle wirken sich physische wie auch psychische Vorschäden oder Schadensanlagen bei der Schadensbemessung zu Lasten des Geschädigten aus, schließen aber keinesfalls den Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz von vorneherein aus. Ein Überblick zur aktuellen Rechtsprechung zum Vorschadenseinwand findet sich bei Eggert (Verkehrsrecht aktuell 2010, 60 ff.). Als groben Ausreißer muss man die Entscheidung des OLG Saarbrücken v. 21.7.2009 (NJW spezial 2009, 761) bewerten. Im dortigen Fall erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall ein HWS-Schleudertrauma und diverse Prellungen am gesamten Körper sowie eine Läsion eines Schleimbeutels. Sachverständigenseits wurde eine Veranlagung des Geschädigten zu neurotischer Fehlverarbeitung diagnostiziert, wobei jedoch zu betonen ist, dass der Geschädigte trotz dieser Prädisposition in der Lage war, vor dem Unfall regelmäßig seiner Arbeit nachzugehen. Insoweit ist der ausgeurteilte Abschlag von 80 % aufgrund dieser psychischen Vorerkrankung schlicht als unangemessen zu bewerten.

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