Rz. 20

Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens ändert sich auch die Bezeichnung des Beschuldigten. Im Zwischenverfahren wird er als Angeschuldigter bezeichnet, nunmehr im Hauptverfahren als Angeklagter. Das Hauptverfahren vollzieht sich im Wesentlichen in der öffentlichen Hauptverhandlung, die auch viele Sitzungstage dauern kann, wenn eine schwierige Beweisaufnahme durchgeführt werden muss. In der Hauptverhandlung wird gem. § 243 StPO nach Aufruf der Sache und Feststellung der Personalien des oder der Angeklagten von dem Vertreter der Staatsanwaltschaft der Anklagesatz, also die vorgeworfene Tat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verlesen. Sodann erhält der Angeklagte, der darüber zu belehren ist, dass er keine Aussage machen muss und sein Schweigen ihm nicht zur Last gelegt werden darf, Gelegenheit, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen, sich einzulassen. Sofern der Angeklagte eine Aussage macht, schließt sich seine Vernehmung an, d.h. zunächst stellt das Gericht, dann die Staatsanwaltschaft und dann der Verteidiger ergänzende Fragen. Ist die Vernehmung des Angeklagten abgeschlossen, folgt hiernach gem. § 244 StPO die Beweisaufnahme, in der alle für die Erforschung des ihm vorgeworfenen strafbaren Sachverhalts bedeutsamen Beweise erhoben werden. In der Beweisaufnahme können Zeugen vernommen, Sachverständige gehört, Urkunden verlesen und Augenschein genommen werden, wobei dies anhand genau festgelegter Regeln in der Strafprozessordnung erfolgt, sog. Strengbeweis. Beweiserhebungen aus dem Ermittlungsverfahren sind dabei mit wenigen Ausnahmen nicht verwertbar, d.h. Zeugen müssen erneut vernommen und Sachverständige erneut gehört werden, auch wenn sie im Ermittlungsverfahren bereits vernommen waren, damit sich das Gericht ein eigenes unmittelbares Bild auch über die Glaubwürdigkeit der Zeugen macht.

 

Rz. 21

Nach der Beweisaufnahme folgen die sog. Schlussvorträge der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seiner Verteidigung (§ 258 StPO), die als Plädoyers bekannt sind. Darin fassen Staatsanwaltschaft und Verteidigung Ihre Würdigung der Hauptverhandlung zusammen. Die Staatsanwaltschaft ist darüber hinaus verpflichtet, einen bestimmten Antrag zu stellen, der sich entweder auf eine Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe, aber natürlich auch auf einen Freispruch beziehen kann, wenn die Tatvorwürfe aus der Anklage aus Sicht der Staatsanwaltschaft, die anders als die Verteidigung zur Objektivität verpflichtet ist, nicht bewiesen oder sogar widerlegt wurden.

 

Rz. 22

Nach den Plädoyers hat der Angeklagte noch zusätzlich die Möglichkeit zu einem letzten Wort, was auch eine längere Stellungnahme sein kann, bevor das Gericht sein Urteil berät und verkündet. Anders als häufig im Zivilprozess, wo Urteile erst Wochen nach der mündlichen Verhandlung verkündet werden, wird das Strafurteil am Ende der mündlichen Hauptverhandlung verkündet, d.h. der Freispruch oder die genaue Verurteilung öffentlich mitgeteilt. Im Detail geschrieben wird das Urteil erst zeitlich nach seiner Verkündung. Mögliche Strafen sind die Geldstrafe, die in Tagessätzen ausgesprochen wird oder die Freiheitsstrafe. Wird ein Angeklagter wegen mehrerer Taten gleichzeitig verurteilt, wird aus den für jede Tat zu bildenden Einzelstrafen eine Gesamtstrafe gebildet.

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