Rz. 94

Ist die Nacherbeneinsetzung unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 2074 BGB angeordnet, gilt im Zweifel, dass bei Wegfall des Nacherben vor Bedingungseintritt kein Ersatznacherbe berufen ist. War z.B. die Bedingung, dass der Nacherbe einen bestimmten Berufsabschluss macht und stirbt er zuvor, wird im Zweifel der Vorerbe mit dem Tod des Nacherben zum Vollerben.[117] Aufschiebend bedingte Nacherben gibt es jedoch zwangsläufig auch bei auflösend bedingten Erbeneinsetzungen nach § 2075 BGB. Dies gilt vor allem bei Wiederverheiratungsklauseln, die immer eine aufschiebend bedingte Nacherbeneinsetzung, meist der Kinder, enthalten.[118] Stirbt der Nacherbe zwischen dem Erbfall und der Wiederheirat des Ehegatten des Erblassers, gilt nach § 2108 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 2074 BGB zwar im Zweifel, dass die Nacherbenstellung nicht vererbt werden konnte. Gerade im engsten Familienkreis greifen jedoch weitere Auslegungsregeln. Hier können §§ 2068, 2069 BGB Anwendung finden, wonach im Zweifel Abkömmlinge des vorverstorbenen Erben nachrücken.

 

Praxishinweis

In diesen Fällen zeigt sich die Notwendigkeit, zunächst den Willen des Erblassers sauber zu ermitteln, bevor bei der Anwendung der Auslegungsregeln die dogmatischen Streitigkeiten beginnen, die eine zielführende Beratung erschweren. In der Gestaltungsberatung gehört der Hinweis auf die Gefahren atypischer Geschehensabläufe und die Notwendigkeit, ausreichende Ersatznacherbeneinsetzungen vorzusehen, zum unverzichtbaren Instrumentarium.

[117] Damrau/Tanck/Bothe, PK Erbrecht, § 2108 Rn 9.
[118] Zu Ehegattentestamenten und Wiederverheiratungsklauseln siehe unten Rdn 137 ff.

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