Rz. 500

Durch das 2. KostRMoG wurde in das Vergütungsverzeichnis des RVG eine neue "Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen" unter Nr. 1010 VV RVG in Höhe von 0,3 aufgenommen.

Es ist nicht recht verständlich, weshalb diese Zusatzgebühr in den Allgemeinen Teil 1 des Vergütungsverzeichnisses aufgenommen worden ist, wenn die Gebühr doch nur neben Gebühren des Teils 3 entstehen kann. Richtigerweise hätte sich diese Gebühr daher in Teil 3 des VV wiederfinden müssen.

 

Rz. 501

 
 
1010 Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden. Die Gebühr entsteht für den durch besonders umfangreiche Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand.

0,3

oder

bei

Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr um 30 %
 

Rz. 502

Durch den Gesetzgeber wurde die Einführung dieser Zusatzgebühr wie folgt begründet:[311]

Zitat

Die vorgeschlagene Zusatzgebühr soll den besonderen Aufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen ausgleichen. Durch diese Gebühr sollen aber keine Fehlanreize gesetzt werden, die dazu animieren könnten, zusätzliche Beweisaufnahmetermine zu provozieren. Die Hürde bis zu einem dritten Beweistermin erscheint hierfür ausreichend.

 

Rz. 503

Damit der Rechtsanwalt die Zusatzgebühr der Nr. 1010 VV RVG verdienen kann, müssen zwei Voraussetzungen vorliegen:

Zum einen muss es sich um "besonders umfangreiche Beweisaufnahmen" handeln und
zum anderen muss der Rechtsanwalt an mindestens drei Terminen teilgenommen haben, in den Sachverständige oder Zeugen vernommen worden sind.

Erst wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Zusatzgebühr durch den Rechtsanwalt abgerechnet werden.

 

Rz. 504

Merkmale der genannten Vernehmungstermine sind:

Die Vernehmung muss mündlich (vor Ort oder via Videokonferenz) erfolgen; schriftliche Vernehmungen zählen nicht.
Es muss ein gerichtlicher Termin sein; ob vor dem erkennenden Gericht oder dem beauftragten oder ersuchten Richter im Wege der Rechtshilfe spielt dabei keine Rolle.
Erfolgt die Vernehmung desselben Zeugen oder Sachverständigen in mehreren Terminen, so zählen diese jeweils gesondert.
Abzustellen ist auf die Anzahl der Termine, nicht auf die Anzahl der Zeugen oder Sachverständigen, die in einem (1) Termin vernommen werden.
Die Dauer des Termins ist unerheblich, solange es in der Gesamtschau zu einer besonders umfangreichen Beweisaufnahme gekommen ist, d.h. es zählt auch zahlenmäßig ein Termin, der z.B. nur 10 Min. gedauert hat.
Werden Zeugen und Sachverständigen in einem (1) Termin vernommen, zählt dies nur als ein (1) Termin.
 

Rz. 505

Ferner ist darauf zu achten, dass diese drei Termine in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit (vgl. § 17 Nr. 1 RVG) stattgefunden haben. Es ist daher nicht ausreichend, wenn z.B. zwei Termine in erster Instanz und ein weiterer Termin beispielsweise nach Zurückverweisung oder in zweiter Instanz stattfinden, da hier nicht dieselbe Angelegenheit vorliegt.

 

Rz. 506

Problematisch dürfte zukünftig auch die Formulierung "besonders umfangreiche Beweisaufnahmen" im Rahmen der Kostenfestsetzung werden, denn eine konkrete Definition, was denn genau darunter zu verstehen ist, ist durch den Gesetzgeber nicht erfolgt. Eine lediglich "umfangreiche Beweisaufnahme" ist nicht ausreichend.[312]

In der Zukunft bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hierzu entwickeln wird. Bis es relevante Rechtsprechung zu diesem Thema geben wird, dürfte jedoch erst einmal einige Zeit vergehen bis solche durch die Gerichte zu entscheidenden Fälle überhaupt entstehen können (Zeitlicher Ablauf: 3 Vernehmungstermine in derselben Angelegenheit).

 

Rz. 507

Darüber hinaus tauchen schon die ersten Fragen im Zusammenhang mit dieser neuen Gebühr auf. Muss der Anwalt die Termine auch wahrnehmen (die Gebühr soll ja den zusätzlichen Aufwand belohnen) oder reicht es aus, wenn die Termine stattfinden und sich die Tätigkeit des Anwalts in Bezug auf diese Termine darauf beschränkt, dass er am Ende das Sitzungsprotokoll liest? Auch zu dieser Frage ist mit Rechtsprechung zu rechnen, auch wenn der Gesetzeswortlaut tatsächlich nur von einem "Stattfinden" und nicht von einer "Wahrnehmung" spricht. Auch die Beweisgebühr nach BRAGO wurde durch die Prüfung und Weiterleitung des Beweisbeschlusses schon ausgelöst, ohne dass der Anwalt am Beweisaufnahmetermin selbst teilnehmen musste.

[311] BT-Drucks 17/11471 v. 14.11.2012, 2. KostRMoG, S. 425.
[312] Vgl. Schneider/Thiel, Das neue Gebührenrecht für Rechtsanwälte, § 3 Rn 477.

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