Rz. 226

Mit Urt. v. 24.11.2011[296] hatte der EuGH über zwei spanische Vorabentscheidungsersuchen zu entscheiden. Die Vorabentscheidungsersuchen betrafen die Auslegung von Art. 7 Buchst. f der Datenschutzrichtlinie, also der "Vorgängernorm" des hierzu betrachtenden Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.

 

Rz. 227

Der spanische Staat hat diese Richtlinienvorgabe in Art. 6 der Ley Orgánica 15/1999, dem spanischen Datenschutzgesetz, in der Weise umgesetzt, dass die Einwilligung des Betroffenen in die Datenverarbeitung u.a. dann nicht erforderlich ist,

Zitat

"wenn die Daten in öffentlich zugänglichen Quellen enthalten sind und ihre Verarbeitung zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich ist, das von dem für die Datei Verantwortlichen oder dem Dritten wahrgenommen wird, dem die Daten übermittelt werden, sofern nicht die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person verletzt werden".

 

Rz. 228

Nach Art. 3 der Ley Orgánica 15/1999 galt:

Zitat

"Dateien, die jedermann offenstehen, ohne dass ihrer Einsicht eine einschränkende Vorschrift entgegensteht bzw. ohne dass sie von einer weiteren Voraussetzung als gegebenenfalls der Zahlung einer Gegenleistung abhängig gemacht wird. Öffentlich zugängliche Quellen sind ausschließlich das Wählerverzeichnis, Telefonverzeichnisse nach Maßgabe der für sie geltenden besonderen Vorschriften und Listen von Personen, die Berufsgruppen angehören und ausschließlich Angaben zu Namen, Titel, Beruf, Tätigkeit, akademischem Grad, die Anschrift und einen Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Gruppe enthalten. Öffentlich zugängliche Quellen sind auch Amts- und Gesetzblätter sowie die Medien.""

 

Rz. 229

Eine ähnliche Regelung fand sich für den öffentlichen Bereich in Art. 10 Abs. 2 des Real Decreto 1720/2007.

 

Rz. 230

Mit der Einschränkung der einwilligungslosen Datenverarbeitung auf Daten, die aus öffentlichen Quellen stammen, hatte der spanische Gesetzgeber – so der EuGH – eine Voraussetzung geschaffen, die in der Richtlinie 95/46/EG nicht vorgesehen ist.

 

Rz. 231

Der Gerichtshof hatte die Frage zu entscheiden, ob der spanische Gesetzgeber dazu bevollmächtigt war oder es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, neben den in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen zusätzliche Voraussetzungen einzuführen.

 

Rz. 232

Der EuGH führt aus, dass

Zitat

"die Richtlinie 95/46 in allen Mitgliedstaaten ein gleichwertiges Schutzniveau hinsichtlich der Rechte und Freiheiten von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten herzustellen [sucht]. [...] Daher ergibt sich aus dem Ziel, ein gleichwertiges Schutzniveau in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Art. 7 der Richtlinie 95/46 eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle vorsieht, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann.""

 

Rz. 233

Hieraus schließt das Gericht, dass

Zitat

"die Mitgliedstaaten weder neue Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten neben Art. 7 der Richtlinie 95/46 einführen, noch zusätzliche Bedingungen stellen [dürfen], die die Tragweite eines der sechs in diesem Artikel vorgesehenen Grundsätze verändern würden. [...] Demnach steht Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten jeder nationalen Regelung entgegen, die bei Fehlen der Einwilligung der betroffenen Person neben den beiden in der vorstehenden Randnummer genannten kumulativen Voraussetzungen zusätzliche Erfordernisse aufstellt.""

 

Rz. 234

Weiter heißt es:

Zitat

"Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für diese Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen diese Daten übermittelt werden, erforderlich ist, ohne Einwilligung der betroffenen Person nicht nur verlangt, dass deren Grundrechte und Grundfreiheiten nicht verletzt werden, sondern auch, dass diese Daten in öffentlich zugänglichen Quellen enthalten sind, und damit kategorisch und verallgemeinernd jede Verarbeitung von Daten ausschließt, die nicht in solchen Quellen enthalten sind.""

 

Rz. 235

Und weiter:

Zitat

"Bei der nach Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 erforderlichen Abwägung kann berücksichtigt werden, dass die Grundrechte der betroffenen Person durch diese Datenverarbeitung unterschiedlich stark beeinträchtigt sein können, je nachdem, ob die in Rede stehenden Daten bereits in öffentlich zugänglichen Quellen enthalten sind oder nicht. Im Unterschied zur Verarbeitung von Daten, die in öffentlich zugänglichen Quellen enthalten sind, impliziert also die Verarbeitung von Daten aus nicht öffentlich zugänglichen Quellen zwangsläufig, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche und gegebenenfalls der bzw. die Dritten, denen die Daten übermittelt werden, von Informationen über die Privatsphäre der be...

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