Rz. 263

Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BDSG-Neu soll die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine öffentliche Stelle zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, im Rahmen der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Stelle zulässig sein, wenn "offensichtlich ist, dass die Weiterverarbeitung im Interesse der betroffenen Person liegt und kein Grund zu der Annahme besteht, dass sie in Kenntnis des anderen Zwecks ihre Einwilligung verweigern würde".

 

Rz. 264

Die Norm entspricht inhaltlich § 14 Abs. 2 Nr. 3 BDSG und wurde wörtlich in die neue Rechtslage transferiert. Inhaltlich sollen keine Änderungen zur bisherigen Rechtslage nach dem aktuellen BDSG verbunden sein. Die Norm bezieht sich also auf eine Verarbeitungssituation, die "nur" mit Einwilligung der betroffenen Person überhaupt möglich und zulässig ist, schreibt aber nicht vor, dass eine solche Einwilligung für den ursprünglichen Verarbeitungszweck streitet, noch wird die Notwendigkeit einer vorherigen Einholung einer Einwilligung vor (!) Weiterverarbeitung für erforderlich erklärt. § 23 Abs. 1 Nr. 1 BDSG-Neu stellt lediglich darauf ab, ob "offensichtlich" davon ausgegangen werden kann, dass die betroffene Person in Kenntnis des anderen Zwecks ihre Einwilligung nicht verweigern würde. Insoweit stützt sich die Weiterverarbeitung allein auf eine mutmaßliche und hypothetische Einwilligung der betroffenen Person. Es muss – vor dem Hintergrund der strengen Anforderungen an die Einwilligungserteilung nach den Vorgaben in Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO ernsthaft bezweifelt werden, dass eine solche Regelung als den Wesensgehalt der Grundrechte achtende und in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme i.S.d. Art. 23 Abs. 1 DSGVO angesehen werden kann. Eine Regelungsbefugnis dahingehend, die Anforderungen an eine Einwilligung derart aufzuweichen, enthält die DSGVO nicht.

 

Rz. 265

Inhaltlich muss die Weiterverarbeitung in einer für die betroffene Person lediglich vorteilhaften oder zumindest neutralen Maßnahme oder Entscheidung münden. Wie bislang auch, können alle Fälle, in denen die Weiterverarbeitung (auch) zu einem Nachteil für die betroffene Person führen könnte, nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BDSG-Neu gerechtfertigt werden.[344] Offensichtlichkeit im Sinne der Norm ist gegeben, wenn der "durchschnittlich aufmerksame Bedienstete der öffentlichen Stelle dies eindeutig und unschwer erkennen kann.[345]"

[344] Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, 12. Aufl. 2015, § 14 BDSG Rn 17.
[345] Roggenkamp, in: Plath (Hrsg.), BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2017, § 14 BDSG Rn 11; Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, § 14 BDSG Rn 26.

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