Rz. 16

Für die Frage, ob eine Rechtswahl (des Heimatrechts, also des deutschen Rechts) sinnvoll ist, kommt es zunächst darauf an, ob der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Ist das der Fall, ist die Wahl des deutschen Heimatrechts an sich überflüssig, wenn der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland bis zum Tode beibehalten wird, weil der Erblasser dann gem. Art. 21 Abs. 1 ErbVO ohne Rechtswahl ohnehin nach deutschem Recht (als dem Recht des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts) beerbt wird.

Der Erblasser ist also über seine Zukunftsplanung zu befragen, wobei er sorgfältig überlegen sollte, ob er eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts aus Deutschland mit Sicherheit ausschließen kann. Hierbei ist insbesondere die Möglichkeit zu bedenken, dass der Erblasser zwar selbst keine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts vornimmt, die Verlegung aber – z.B. bei Demenz des Erblassers und/oder im Pflegefall – durch die Angehörigen vorgenommen wird.

Überdies besteht – sofern der gewöhnliche Aufenthalt entgegen der Planung des Erblassers doch aus Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde – nur bei einer tatsächlich vorgenommenen Rechtswahl des Erblassers die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung der Beteiligten und damit der Begründung der Zuständigkeit der deutschen Gerichte bzw. der Abgabe an die deutschen Gerichte gem. Art. 5 ff. ErbVO. Dieser Aspekt sollte dem Erblasser vor Augen geführt werden.

 

Rz. 17

Ferner ist zu bedenken, dass Art. 21 Abs. 2 ErbVO die Möglichkeit eröffnet, im Ausnahmefall für das Erbstatut nicht auf das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen, sondern auf das Recht eines Staates, zu dem eine offensichtlich engere Verbindung besteht. Auch wenn die Vorschrift Ausnahmecharakter und die engere Verbindung offensichtlich zu sein hat, bleibt zumindest ein Restrisiko bestehen. Es erscheint deshalb sinnvoll, eine Rechtswahl auch in den Fällen zu treffen, in denen diese Rechtswahl aus heutiger Sicht überflüssig erscheint. Selbst wenn die Rechtswahl sich im Einzelfall im Ergebnis als überflüssig erweisen sollte, ist sie jedenfalls auch dann unschädlich.[13] Für eine ausdrückliche Rechtswahl spricht auch der Gesichtspunkt, dass der gewöhnliche Aufenthalt schwerer festzustellen ist als die Staatsangehörigkeit; hatte Erblasser sein Heimatrecht gewählt, ist das zuständige Gericht der Prüfung enthoben, den gewöhnlichen Aufenthalt feststellen zu müssen.

 

Rz. 18

Will der Erblasser also sichergehen, dass in jedem Falle deutsches Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen Anwendung findet, sollte er ("sicherheitshalber") sein deutsches Heimatrecht wählen. Dies gilt gleichermaßen, wenn der Erblasser neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt.

Die Rechtswahl hat gem. Art. 22 Abs. 2 durch Verfügung von Todes wegen zu erfolgen, wobei die Formgültigkeit dieser Verfügung von Todes wegen sich nicht nach dem gewählten Recht richtet, sondern nach dem allgemeinen Formstatut[14] des Art. 27 ErbVO (bzw. gem. Art. 75 Abs. 1 ErbVO aus deutscher Sicht nach den Regelungen des Testamentsformübereinkommens, das jedoch mit den Regelungen der ErbVO übereinstimmt, vgl. hierzu § 2 Rn 17 ff.).

Muster 4.3: Formulierungsbeispiel für die vorsorgliche umfassende Rechtswahl Art. 22 und 24 ErbVO

 

Muster 4.3: Formulierungsbeispiel für die vorsorgliche umfassende Rechtswahl Art. 22 und 24 ErbVO

Ich besitze ausschließlich (bzw. auch) die deutsche Staatsangehörigkeit und habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Diesen will ich auch dauerhaft beibehalten, wähle aber vorsorglich für die Rechtsnachfolge von Todes wegen sowie für Fragen der Rechtswirksamkeit dieses Testaments deutsches Recht.

Der Notar hat mich darüber belehrt, dass sich die Rechtswahl auf das deutsche Erbrecht als Ganzes bezieht (ggf.) insbesondere also auch auf die Bestimmungen über den Pflichtteil. Ich bin auch darüber belehrt worden, dass deutsches Recht auch für die Rechtsnachfolge in Nachlassgegenstände maßgeblich ist, die sich im Ausland befinden.

[13] Zu den Kosten der Rechtswahl Heinig, RNotZ 2014, 197, 227, 229; auch eine vorsorgliche Rechtswahl löst Gebühren aus
[14] Leitzen, ZEV 2013, 128, 129.

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