1. Gesetzliche Grundlage

 

Rz. 302

Die Bewertung der Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen nach § 111 Nr. 1 u. Nr. 11 FamFG erfolgt über §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 43 FamGKG. Vom Begriff "Ehesachen" sind gemäß § 121 FamFG sowohl das klassische Scheidungsverfahren an sich als auch die Aufhebung der Ehe und die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe mit umfasst (bezgl. Lebenspartnerschaften, vgl. § 5 FamGKG).

 

Rz. 303

 

§ 43 Ehesachen

(1) In Ehesachen ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht unter 3.000 EUR und nicht über 1 Million EUR angenommen werden.

(2) Für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.

 

Rz. 304

Der in § 43 Abs. 1 S. 2 FamGKG bestimmte Mindestverfahrenswert wurde durch den Gesetzgeber im Rahmen des 2. KostRMoG von bislang 2.000,00 EUR auf 3.000,00 EUR angehoben[232] mit dem Hinweis, dass dieser Wert seit 1976 nicht mehr erhöht worden ist.[233] Dieser Mindestwert darf getrost als "unterirdisch" bezeichnet werden. Es ist traurig, dass der Gesetzgeber der Scheidung einer Ehe nicht mehr Wert beimisst; es ist wohl anzunehmen, dass gerade in VKH-Mandaten der Geldbeutel der Staatskasse geschützt werden soll.

[232] BGBl I 2013, S. 2586–2712.
[233] BT-Drucks 17/11471 v. 14.11.2012, S. 390.

2. Bewertungskriterien

 

Rz. 305

Die Bewertungskriterien für den Wert einer Ehe- oder Lebenspartnerschaftssache sind:

Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere
des Umfangs und
der Bedeutung der Sache für die Ehegatten
der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten
nach Ermessen zu bestimmen.
 

Rz. 306

§ 43 Abs. 1 u. 2 FamGKG weisen mehrere Kriterien aus, die gleichberechtigt nebeneinanderstehen (es fehlt "insbesondere"). In der Praxis ist jedoch zu beobachten, dass die Gerichte oft allein von den Einkommensverhältnissen und bei diesen dann allein von dem dreifachen Nettoeinkommen vor Antragstellung ausgehen. Zu der Frage wie die Bewertung der Ehesache vorzunehmen ist, hat die Rechtsprechung zahlreiche Entscheidungen hervorgebracht. Umso erstaunlicher ist dabei, dass einige Gerichte – abhängig von der Region – sich mit der im Gesetz geregelten Wertbemessung und der dazu ergangenen umfangreichen Rechtsprechung überhaupt nicht auseinandersetzen, was dazu führt, dass die Werte für Ehe- und Lebenspartnerschaftssache häufig zu niedrig festgesetzt werden. Gerichte haben gem. § 55 Abs. 1 FamGKG den Verfahrenswert für die Berechnung der Gerichtsgebühren festzusetzen und diesen daher auch von Amts wegen korrekt zu ermitteln und nach dem Vermögen der beteiligten Eheleute zu fragen; ggfs. sogar ein Sachverständigengutachten zur Höhe des Wertes einzuholen, § 56 FamGKG. Damit ist die Wertfestsetzung in erster Linie für die Gerichtsgebühren – und die Staatskasse – korrekt vorzunehmen. Dass die Wertfestsetzung dann über § 32 Abs. 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren gilt, ist zunächst zweitrangig. Gerade in VKH-Verfahren ist auffällig, wie häufig Gerichte einen zu niedrigen Wert festsetzen. Sofern die Beteiligten selbst für die Verfahrenskosten aufkommen, lässt sich oft eine – auch im Sinne der Anwaltschaft – gerechtere Wertfestsetzung in der Praxis beobachten. Doch die Fälle der nachträglichen Aufhebung einer Verfahrenskostenhilfe oder auch Anordnung von Raten- oder Einmalzahlungen ist aufgrund der inzwischen doch bundesweit stark gestiegenen Überprüfungsverfahren heute wahrscheinlicher als jemals zuvor. Bevor sich der Bezirksrevisor dann wundert, warum so wenig Gerichtskosten eingefordert werden können, ist grundsätzlich – unabhängig von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe – auf eine möglichst korrekte Wertfestsetzung zu achten. Zugegeben, die Komplexität von Familiensachen und der Gesetzgeber machen es einen hier nicht immer leicht.

 

Rz. 307

Soweit in § 43 FamGKG auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten abgestellt wird, gilt § 34 FamGKG, der für den Zeitpunkt der Wertberechnung auf die Antragseinreichung abstellt. Damit ist klar, dass das dreifache Nettoeinkommen der beiden Ehegatten vor Antragseinreichung eine Rolle spielt. Spätere Einkommensschwankungen bleiben dabei unberücksichtigt.

 

Rz. 308

Andere Kriterien des § 43 FamGKG, wie beispielsweise der Umfang der Sache, können erst am Ende des Verfahrens festgestellt werden. Insofern ist auch der im Scheidungsantrag angegebene Verfahrenswert für die Ehesache zunächst vorläufig.

 

Rz. 309

 

Praxistipp

Legen Sie dem Gericht bereits im Scheidungsantrag Ihre Berechnung des richtigen Verfahrenswerts dar. Es ist Aufgabe des Anwalts, den von ihm vorläufig ermittelten Verfahrenswert zu erklären. Keinesfalls sollte, um den Mandanten – vorübergehend – mit nur geringen Gerichtskosten zu belasten, vom Mindestwert ausgegangen werden, denn die Frage nach dem Verfahrenswert im Scheidungstermin ist nicht nur gegenüber dem anwesenden Mandant...

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