Rz. 855

Der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung hat sich seit ihrer Gründung kontinuierlich weiter entwickelt[490] und betrifft den Lebenszeitraum von der Zeugung (§ 12 SGB VII, § 30 I 2 BeamtVG) bis zum Tode (siehe u.a. § 2 I Nr. 15 lit. a SGB VII).[491] Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz existiert schon vor der Geburt (§ 12 SGB VII), setzt sich mit dem Besuch von Kindergarten, Schule und Universität bzw. Berufsausbildung fort und mündet (u.U. nach Wehr- oder ersetzendem Dienst) dann in das Erwerbsleben. Aber auch bei vielen anderen Tätigkeiten kann man gesetzlich unfallversichert sein. Die gesetzliche Unfallversicherung ist, anders als die private, zwar keine Rund-um-die-Uhr-Versicherung, deckt aber einen Großteil des Lebens ab. Auch die Mitwirkung in einem Hilfeleistungsunternehmen (z.B. Freiwillige Feuerwehr, THW) oder der Einsatz eines Einzelnen zur Rettung einer Person aus einer Gefahrenlage (Nothilfe) ist gesetzlich unfallversichert.

 

Rz. 856

Die Einbeziehung der Wegeunfälle in den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz erfolgte erst 1925.[492] Arbeitsunfälle sind seither neben Unfällen "bei der Arbeit" auch solche, die sich beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ereignen. § 8 II Nr. 1 SGB VII steht in der Tradition von § 550 RVO und der dazu ergangenen Rechtsprechung.[493]

 

Rz. 857

Die Einbeziehung des Nothelfers (§ 553a RVO)[494] im Jahre 1928 folgte eigenständigen Gesichtspunkten.[495] Maßgeblich war die Erwägung, dass die Bereitschaft zur Hilfeleistung durch eine soziale Existenzsicherung gefördert werden soll.[496]

 

Rz. 858

Seit 1942[497] waren Lernende sowohl während ihrer praktischen Ausbildung in den Betrieben als auch beim Unterricht in den beruflichen Schulen gesetzlich unfallversichert. Seit 1.4.1971[498] sind Schüler und Studenten in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen.[499] Mit Gesetz vom 20.12.1988 kamen hinzu die Teilnehmer an gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen für die Aufnahme in Kindergärten, allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen (insbesondere Reife- bzw. Tauglichkeitsuntersuchungen, Eingangstests). Seit 1.1.1997 stehen auch Schüler während der schulischen Betreuung vor und nach dem Unterricht sowie Kinder in Tageseinrichtungen unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz.

 

Rz. 859

Während ehrenamtlich Tätige zu Zeiten der RVO häufig nicht versichert waren,[500] ist dieser Personenkreis seit 1.1.2005[501] geschützt.

 

Rz. 860

Beamte und ihre Hinterbliebenen erhalten bei Vorliegen eines Dienst-/Dienstwegeunfalls Unfallversorgung durch ihren Dienstherrn (§§ 1 I, 30 I BeamtVG) (siehe dazu Rn 1889 ff.).

[490] Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Sozialversicherung_in_Deutschland#cite_note-1, ferner Steinmeyer/Lange/Dickhöfer "Gutachten zur Neuorganisation der gesetzlichen Unfallversicherung" in 12. Münsterische Sozialrechtstagung: Reformen in der gesetzlichen Unfallversicherung, 8.12.2006, Münsteraner Reihe Heft 106, S. 103.
[491] Dazu näher Jahnke/Thinesse-Wiehofsky, § 3 Rn 379.
[492] Zweites Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung v. 14.7.1925 – RGBl I 1925, 97 (Fundstelle: http://alex.onb.ac.at/tab_dra.htm). Siehe auch Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn 689.
[493] BT-Drucks 13/2204 v. 24.8.1995, S. 77. Jahnke jurisPR-VerkR 16/2012, Anm. 2 (zu LSG Berlin-Brandenburg v. 3.11.2011 – L 3 U 7/09 –).
[494] Durch das 3. Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung v. 20.12.1928, RGBl I 1928 Nr. 44. Zur Gesetzesbegründung des § 553a RVO siehe RT-Vhdlg IV. Wahlperiode 1928 – Anlagen – Bd. 430 Drucks Nr. 234, S 9 f.
[495] BSG v. 24.7.1957 – 2 RU 111/54 – BSGE 5, 262 = FamRZ 1958, 27 = JZ 1958, 28 = MDR 1958, 281 = NJW 1957, 1943 (Um nach Einfügung von § 330c StGB im Jahre 1935 den Versicherungsschutz im bisherigen Umfange zu gewährleisten, wurde § 553a RVO durch das 5. Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung v. 17.2.1939, RGBl I 1939, 267 geändert).
[496] BGH v. 24.1.2006 – VI ZR 290/04 – BGHZ 166, 42 = MDR 2006, 1287 = NJW 2006, 1592 = NZS 2006, 539 = NZV 2006, 367= VersR 2006, 548, BGH v. 2.12.1980 – VI ZR 265/78 – MDR 1981, 397 = NJW 1981, 760 = VersR 1981, 260.
[497] 6. Änderungsgesetz zur Unfallversicherung v .9.3.1942 RGBl I 1942, 107.
[498] Gesetz über die Unfallversicherung für Schüler, Studenten und Kinder in Kindergärten v. 18.3.1971 BGBl I 1971, 237.
[499] Letztlich resultierend aus der Entscheidung des BGH v. 16.2.1967 – III ZR 100/65 – BGHZ 46, 372 = NJW 1967, 621.
[500] BSG v. 8.12.1998 – B 2 U 37/97 R – NZS 1999, 253 = VersR 2000, 613 (Kein Schutz eines Ministranten bei von seiner Pfarrei veranstalteten Jugendherbergsfahrt); SG Gelsenkirchen v. 8.5.2000 – S 10 U 143/99 – HVBG-Info 2000, 2804 (Kein Schutz bei ehrenamtlicher Tätigkeit für Frauengruppe einer Kirchengemeinde).
[501] Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen v. 9.12.2004 BGBl I 2004, 3299. Zur G...

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