Rz. 56

Gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 B GB sind Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Sie tragen füreinander Verantwortung. Soweit der Gesetzeswortlaut. Doch was genau heißt das, bzw. welche Rechtsfolgen zieht die Eheschließung in diesem Zusammenhang nach sich? Da gesetzlich geregelt, besteht ab Eheschließung eine Rechtspflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur Verantwortung füreinander.[61] Dabei ist unter ehelicher Lebensgemeinschaft primär die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen, während die häusliche Gemeinschaft die Wohnstätte, also den äußeren Aspekt beschreibt.[62] Wie die Ehegatten leben wollen, ist letztlich ihre Sache und auch nicht überprüfbar. Ob es Fälle gibt, in denen ein Ehegatte den anderen auf gemeinsames Wohnen "verklagt", ist fraglich, erübrigt sich aber wahrscheinlich in dem Moment, da dieser sich weigert und die Ehe in Folge dessen zerrüttet sein wird. Der Anspruch auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist ohnehin nicht vollstreckbar, § 120 FamFG. Nichts anderes ergab sich aus zum Teil Aufsehen erregenden Urteilen des BGH zum alten Recht, wobei der Ansatzpunkt und der immanente Schuldvorwurf ohne Zweifel fragwürdig sind.

 

Rz. 57

Der BGH entschied beispielsweise in seinem Urt. v. 2.11.1966 wie folgt:

Zitat

"Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere empfindet."[63]

 

Rz. 58

Aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB folgt aber die Pflicht, den anderen Ehegatten vor finanziellen Lasten zu bewahren, soweit das ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist.[64] Das kann eine Rolle spielen bei der Übertragung von Schadensfreiheitsrabatten oder aber der Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung. Wobei auch in diesen Fällen meistens die Trennung erfolgt sein wird.

 

Rz. 59

§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB gibt außerdem einen Anspruch der Ehegatten untereinander sowohl auf Auskunft als auch Zahlung von Taschen- oder Wirtschaftsgeld.[65] Dieser ist ein auf Geld gerichteter Zahlungsanspruch. Er soll den berechtigten Ehegatten unabhängig von einer Mitsprache des anderen die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse ermöglichen, die durch den Naturalunterhalt gewährten Grundbedürfnisse hinausgehen. Die Höhe richtet sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten. Üblicherweise beträgt er fünf bis sieben Prozent des zur Verfügung stehenden Nettogesamteinkommens.[66] Anspruchsberechtigt ist nicht nur der überwiegend haushaltsführende Ehegatte, sondern auch derjenige, der Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat oder sogar der Besserverdienende von beiden ist. Er kann einen Teil seines Einkommens für sich behalten, muss ihn also nicht dem Familienunterhalt zur Verfügung stellen.[67]

 

Rz. 60

Da der Taschengeldanspruch aus dem Gesetz folgt, also unabhängig von einer Vereinbarung zwischen den Ehegatten besteht, ist dieser Anspruch gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar.[68] Die Pfändung ist aber wegen des Verweises auf die Vorschriften über Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen nur möglich, wenn die Vollstreckung in das sonstige Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Schuldners geführt hat oder hierzu voraussichtlich nicht führen wird und die Pfändung nach den Umständen des Einzelfalles der Billigkeit entspricht.[69]

 

Rz. 61

In der Regel wird der Taschengeldanspruch nicht isoliert gerichtlich geltend gemacht werden. Er spielt eine Rolle bei der Einkommensermittlung im Rahmen von Eltern- und Kindesunterhaltsansprüchen oder der Zwangsvollstreckung.[70] Entsprechend sind die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Verfahrensvorschriften zu beachten, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO.

 

Rz. 62

 

Hinweis:

§ 1353 BGB gibt einen Anspruch auf Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
§ 1353 BGB gibt einen Anspruch auf Zahlung von Taschen- oder Wirtschaftsgeld.
§ 1353 BGB gibt einen Anspruch, den anderen vor finanziellen Lasten zu bewahren.
[61] Palandt/Brudermüller, § 1353 BGB Rn 2.
[62] BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14, openJur 2016, 7077.
[64] BGH FamRZ 2005, 182; Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 21.10.2016 – 13 UF 111/16, juris.
[65] BGH, Urt. v. 21.1.1998 – XII ZR 140/96, NJW 1998, 1553 ff.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.8.1989 – 2 WF 65/89, FamRZ 1990, 161.
[66] BGH, Beschl. v. 19.3.2004 – IXa ZB ...

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