Rz. 30

Bei Kraftfahrern, d.h. bei Fahrern von Kraftfahrzeugen aller Art, wie Lkw, Pkw, Motorrad, Motorroller oder Mofas, liegt der Ausschlussgrund der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung vor, wenn er infolge Alkoholgenusses nicht mehr fahrtüchtig ist.

 

Rz. 31

Die Gerichte orientierten sich zunächst streng an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit. Seit der Entscheidung des BGH im Jahre 1990[49] ist ab Erreichen einer BAK von 1,1 Promille (vormals 1,3 Promille) die absolute Fahruntüchtigkeit anzunehmen. Soweit diese Promillegrenze erreicht ist, nimmt die Rechtsprechung auch im Versicherungsrecht stets ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles und ohne Zulassung eines Gegenbeweises absolute Fahruntüchtigkeit und damit eine Bewusstseinsstörung im Sinne des Risikoausschlusses an.[50] Zugleich spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Unfallursächlichkeit des Alkoholgenusses. Hat der VR die alkoholbedingte Bewusstseinsstörung infolge absoluter Fahruntüchtigkeit nachgewiesen, so liegt es beim VN, zu beweisen, dass die alkoholbedingte Bewusstseinsstörung für den Unfall nicht kausal geworden ist. Es genügt, wenn der VR den Inhalt der strafrechtlichen Ermittlungsakte vorträgt und sich die dort gemachten Feststellungen zur BAK zu eigen macht.[51]

 

Hinweis

Ereignet sich der Unfall nicht im öffentlichen Verkehrsraum, sondern auf Privatgelände, dann gelten die Grenzwerte nicht. Es ist aber eine strenge Einzelfallprüfung erforderlich.[52]

 

Rz. 32

Ist der Alkoholisierungsgrad geringer als 1,1 Promille müssen äußere Anzeichen für eine Fahruntüchtigkeit vorliegen, um den Ausschlussgrund bejahen zu können. Eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung ist nur anzunehmen, wenn das zum Schaden führende Verhalten der VP den Rückschluss auf eine Ausfallerscheinung (z.B. Fahren in Schlangenlinien) zulässt, die gerade auf einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung beruht.[53] Ergeben sich keine äußere Anzeichen in Form von Ausfallerscheinungen, müssen Fahrfehler festgestellt werden, die typischerweise auf Alkoholgenuss zurückzuführen sind.[54] Die Feststellung einer relativen Fahruntüchtigkeit muss individuell im Wege des Vollbeweises geführt werden. Dem VR kommt die Erleichterung des Anscheinsbeweises erst wieder bei der Frage der Ursächlichkeit von Fahruntüchtigkeit und Unfall zugute.

 

Rz. 33

Auf Kritik gestoßen ist der ohne Begründung erteilte Hinweis des BGH,[55] bei einer unter 0,8 Promille liegenden BAK könne von einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung nicht mehr ausgegangen werden.[56]

Damit orientierte sich der BGH an der damals geltenden 0,8 Promille-Regelung des § 24a StVG, wobei mangels näherer Begründung unklar blieb, ob unterhalb dieses Promillebereiches eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung überhaupt noch diskutiert werden könne. Im Einzelfall wird der Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit auch unter einer BAK von 0,8 Promille angenommen.[57] Nach heutiger Gesetzeslage (§ 24a StVG enthält jetzt den BAK-Wert von 0,5 Promille) könnte in Anlehnung an die zitierte BGH-Entscheidung eine relative Fahruntüchtigkeit bereits ab Erreichen einer Mindest-BAK von 0,5 Promille angenommen werden. Richtigerweise ist der Bereich einer relativen Fahruntüchtigkeit jedoch ab einer BAK von 0,3 Promille anzunehmen.[58] Ab diesem Wert kann daher auch eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorliegen. Da die Rechtsprechung für die Annahme einer Bewusstseinsstörung eine "erhebliche" Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit verlangt, wird in aller Regel bei derart niedrigen Promillewerten eine Bewusstseinstörung zu verneinen sein.[59] Letztlich ist im Einzelfall zu entscheiden, ob die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit der VP derart herabgesetzt war, dass er der konkreten Gefahrenlage nicht gewachsen war. Je geringer der festgestellte Promillewert ist, desto höhere Anforderungen sind an das Vorliegen von Ausfallerscheinungen zu stellen. Zu beachten ist dabei auch, dass nicht jede Beeinträchtigung durch Alkohol, die zu einem Unfall führt, welchen ein Nüchterner vermieden hätte, den Versicherungsschutz ausschließt.[60]

 

Rz. 34

Es muss weiterhin ein Kausalzusammenhang zwischen Bewusstseinsstörung und Unfall vorliegen. Ausgehend von der adäquaten Kausalität sind ergänzend der "Zurechnungszusammenhang" und der "Schutzbereich der Haftungsnorm" heranzuziehen.[61] Die Bewusstseinsstörung ist für den Unfall nicht kausal, wenn er sich auch bei einer niedrigeren alkoholischen Beeinflussung ohne Bewusstseinsstörung ereignet hätte.[62] Der Risikoausschluss greift schon bei Mitursächlichkeit der Bewusstseinsstörung ("Alles oder Nichts -Prinzip").[63]

 

Hinweis

Allein die Möglichkeit, dass die VP denselben Unfall ohne Alkoholeinfluss erlitten haben könnte, reicht nicht aus, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Die VP muss Tatsachen darlegen und beweisen, die eine ernsthafte reale und nicht nur theoretische Möglichkeit ergeben, dass sie die Gefahrenlage auch nüchtern nicht gemeistert hätte.[64]

 

Rz. 35

 

Beisp...

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