Rz. 112

BGH, Urt. v. 10.7.2007 – VI ZR 192/06, VersR 2007, 1536

Zitat

SGB VI § 179 Abs. 1a

Erstattet der Bund dem Träger einer Werkstatt für behinderte Menschen gemäß § 179 Abs. 1 SGB VI die Rentenversicherungsbeiträge für ein Verkehrsunfallopfer, welches infolge seiner unfallbedingten Verletzungen in der Werkstatt beschäftigt wird, so besteht ein Ersatzanspruch des Bundes gegen den Schädiger bzw. seinen Haftpflichtversicherer gemäß § 179 Abs. 1a SGB VI nur dann, wenn der Geschädigte hinsichtlich seiner rentenversicherungsrechtlichen Stellung einen konkreten Schaden erlitten hat; dies ist der Fall, wenn die vom Bund erstatteten Rentenversicherungsbeiträge nötig waren, um dem Geschädigten die Stellung in der Rentenversicherung zu erhalten, die er im Zeitpunkt des Unfalls inne hatte, oder wenn der Geschädigte während des in Frage stehenden Zeitraums ohne den Unfall aus sonstigen Gründen rentenversicherungspflichtig geworden wäre und deshalb Beiträge hätte abführen müssen.

I. Der Fall

 

Rz. 113

Das klagende Land nahm die Beklagte, einen Haftpflichtversicherer, in Prozessstandschaft für die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz aus nach § 179 Abs. 1a SGB VI übergegangenem Recht in Anspruch.

 

Rz. 114

Die Beklagte hatte für die materiellen Schäden der im März 1996 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzten, seinerzeit 19 Jahre alten Frau G. zu 55 % einzustehen. Frau G. war seit dem 17.8.2000 in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt. Die Bundesrepublik erstattete dem Heimträger die ab 2001 bis September 2004 für Frau G. gezahlten Rentenversicherungsbeiträge gemäß § 179 Abs. 1 S. 1 SGB VI. Hiervon machte das klagende Land gemäß § 179 Abs. 1a S. 2 SGB VI einen der Haftungsquote von 55 % entsprechenden Teilbetrag geltend.

 

Rz. 115

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Klageziel weiter.

II. Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 116

Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte nicht verpflichtet, der Bundesrepublik die dem Heimträger für die Unfallverletzte erstatteten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe der Haftungsquote von 55 % zu ersetzen, weil das klagende Land nicht hinreichend dargetan habe, dass es sich bei den erstatteten Rentenversicherungsbeiträgen um einen übergegangenen Schaden der Frau G. gehandelt habe.

 

Rz. 117

Die Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Verletzte vor dem Unfall keine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt habe und eine solche ohne den Unfall nicht aufgenommen hätte. In der Verhandlung vor dem Berufungsgericht habe das klagende Land erklärt, zu dieser Behauptung nicht vortragen zu wollen, so dass die Behauptung der Beklagten als zugestanden anzusehen sei (§ 138 Abs. 3 ZPO).

 

Rz. 118

Diese Ausführungen hielten den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hatte einen Anspruch des Bundes gegen die Beklagte auf Ersatz der die Rentenversicherungsbeiträge für Frau G. betreffenden Erstattungsleistungen mit Recht verneint.

 

Rz. 119

Behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (§§ 39 ff., 136 ff. SGB IX) tätig sind, sind gemäß § 1 S. 1 Nr. 2a SGB VI in der Rentenversicherung versicherungspflichtig, wobei gemäß § 162 Nr. 2 SGB VI beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, mindestens aber 80 vom Hundert der Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 SGB IV) sind. Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben (§ 136 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, soweit sich aus dem zugrunde liegenden Sozialverhältnis nichts anderes ergibt (§ 138 Abs. 1 SGB IX). Die Beiträge zur Rentenversicherung werden bei behinderten Menschen von den Trägern der Einrichtung getragen, wenn ein Arbeitsentgelt nicht bezogen wird oder das monatliche Arbeitsentgelt 20 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, sowie für den Betrag zwischen dem monatlichen Arbeitsentgelt und 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße, wenn das monatliche Arbeitsentgelt 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, im Übrigen von den Versicherten und den Trägern der Einrichtung je zur Hälfte (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Der Bund erstattet den Trägern der Einrichtung die Beiträge, die auf den Betrag zwischen dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt und 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße entfallen, wenn das tatsächlich erzielte monatliche Arbeitsentgelt 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt (§ 179 Abs. 1 S. 1 SGB VI). Hinsichtlich dieser Erstattungsleistungen trifft § 179 Abs. 1a SGB VI folgende Bestimmung:

 

Rz. 120

Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Bund über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses ...

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