Rz. 32

Sachliche Kongruenz liegt vor, wenn die vom Sozialleistungsträger gewährten Leistungen beim Geschädigten einen sachlichen Bedarf decken, der infolge des vom Schädiger verursachten Schadens entstanden ist.

 

Beispiel

Die Heilbehandlungskosten, die von der gesetzlichen Krankenkasse oder der Berufsgenossenschaft zur Beseitigung der Unfallfolgen aufgewendet werden müssen, decken den sachlichen Bedarf des Geschädigten, den der Schädiger zu erstatten hat (§ 843 Abs. 1 BGB) und sind daher sachlich kongruent zu dem entstandenen Schaden.

 

Rz. 33

Deshalb geht der Anspruch auf Erstattung der Heilbehandlungskosten wegen vorliegender sachlicher und zeitlicher Kongruenz gem. § 116 Abs. 1 SGB X auf den gesetzlichen Krankenversicherer oder die Berufsgenossenschaft über.

 

Rz. 34

Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse sind in den §§ 2748 SGB V abschließend aufgezählt und umfassen z.B. nicht etwaige Schmerzensgeldansprüche des Geschädigten.

a) Übergangsfähige Positionen

 

Rz. 35

Krankenhaus- und ambulante Krankenbehandlungskosten einschließlich des von der Krankenkasse an den Krankenhausträger zu zahlenden Investitionszuschlages nach Art. 14 des Gesundheitsstrukturgesetzes (BGH VersR 2011, 946),
Verdienstausfall und Erwerbsschaden,
vermehrte Bedürfnisse, soweit hierauf Sozialleistungen erbracht werden (BGH zfs 1997, 12),
Pflegebedarf eines Geschädigten (BGH zfs 2003, 181),
Beerdigungskosten und
Unterhaltsschaden.

Im Rahmen des § 116 Abs. 1 SGB X sind diese somit übergangsfähig. Zum Regress in der Pflegeversicherung vgl. Budel, zfs 1998, 81 und BGH zfs 2003, 181.

 

Rz. 36

Bei Sachschäden:

Aufwendungen einer Krankenkasse oder einer Berufsgenossenschaft für Körperersatzstücke und/oder orthopädische oder andere Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V (Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel).
 

Rz. 37

Bei Personenschäden:

die Krankenbehandlungskosten (§ 27 SGB V), nämlich Arztkosten, Zahnarztkosten, Arzneien, Heilmittel oder Krankenhauspflege.
 

Rz. 38

Bei Erwerbsschäden:

Zahlung von Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld,
Erwerbsunfähigkeitsrenten (EU-Renten),
Berufsunfähigkeitsrenten (BU-Renten),
Trägerbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung,
Transferkurzarbeitergeld nach § 216b SGB III,
Arbeitslosengeld II,
vorgezogene Altersruhegelder (§ 37 SGB VI) und
Leistungen des Sozialamtes, die infolge unfallbedingter Mittellosigkeit durch dieses zu erbringen sind.
 

Rz. 39

Bei vermehrten Bedürfnissen:

Häusliche Krankenpflege,
Haushaltshilfe i.S.d. § 38 SGB V,
Pflegegeld nach SGB XI.

Schadensersatzansprüche auf Haushaltshilfe nach § 38 SGB V und nach SGB XI gingen im Rahmen des kongruenten Schadensersatzanspruchs auf den Sozialleistungsträger erst mit Inkrafttreten des SGB V bzw. SGB XI über (BGH zfs 1997, 295 und BGH zfs 2003, 181).

 

Rz. 40

Bei Beerdigungskosten:

das nach §§ 58, 59 SGB V a.F. bis Ende 2003 gezahlte Sterbegeld.
 

Rz. 41

Bei Unterhaltsschäden:

Witwen- und Waisenrenten sowie die Trägerbeiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.
 

Rz. 42

Bei Schäden wegen entgangener Dienste nach § 845 BGB:

Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrenten.

b) Nicht übergangsfähige Positionen

 

Rz. 43

 

Beachte

Nicht sachlich kongruent sind Schmerzensgeldansprüche, die demzufolge nicht auf Sozialleistungsträger übergehen können.

 

Rz. 44

Nicht sachlich kongruent und damit ebenfalls nicht übergangsfähig sind Ansprüche aus privaten Versicherungs- und Versorgungsverträgen, insbesondere Ansprüche aus privaten Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Betriebsrenten, denn diese Ansprüche hat sich der Geschädigte durch eigene Leistungen erkauft. Sie können daher dem Schädiger nicht zugutekommen.

 

Rz. 45

Soweit in betrieblichen Versorgungswerken eine Abtretung der Ansprüche des Geschädigten auf den Versorgungsträger vorgesehen ist, sind diese nur nachrangig zu berücksichtigen. Die Bedingungswerke der betrieblichen Alters- oder Hinterbliebenenversorgung enthalten grundsätzlich keinen gesetzlichen Forderungsübergang, sondern können höchstens Abtretungsverpflichtungen enthalten. Solange eine solche Abtretung aber nicht erfolgt oder verlangt ist, verbleiben die Ansprüche beim unmittelbar Geschädigten ohne Anrechnung auf seine Schadensersatzansprüche. Soweit in Versorgungswerken eine Abtretung zugunsten des Versorgungsträgers vorgesehen ist, dürfte dem Geschädigten selbst ein Quotenvorrecht für seine eigenen Ansprüche zustehen.

 

Rz. 46

Ebenfalls nicht sachlich kongruent und damit nicht übergangsfähig sind freiwillige Leistungen Dritter, beispielsweise der "Verkehrsopferhilfe" bei Personenschäden, die durch Verkehrsunfälle mit Unfallflucht entstanden sind.

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