Rz. 44

Der Gerichtsvollzieher darf nicht jede im Schuldnergewahrsam befindliche Sache pfänden. In § 811 ZPO ist eine ganze Liste unpfändbarer Gegenstände aufgeführt, wodurch in der Praxis die Pfändbarkeit von Sachen fast zur Ausnahme geworden ist. Insbesondere dürfen folgende Gegenstände nicht gepfändet werden:

Sachen, die dem persönlichen Gebrauch dienen, z.B. Kleidungsstücke (§ 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO);
Sachen, die zum Haushalt gehören, z.B. Haus- und Küchengeräte (§ 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO);
Sachen, die in den kommenden vier Wochen als Nahrungs-, Feuerungs- u. Beleuchtungsmittel dienen (§ 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO);
Kleintiere, eine Milchkuh (oder stattdessen zwei Schweine, Ziegen oder Schafe, § 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO);
Geräte zum Betrieb einer Landwirtschaft (§ 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO);
Sachen, die zur Berufsausübung notwendig sind (z.B. Fotokamera des Berufsfotografen, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO);
zur Ausübung des Berufs erforderliche Dienstkleidung und Dienstausrüstung (§ 811 Abs. 1 Nr. 7 ZPO);
Familienpapiere, Trauringe, Orden, Ehrenzeichen (§ 811 Abs. 1 Nr. 11 ZPO);
Sehhilfen, Prothesen, etc. (§ 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO)

usw.

 

Rz. 45

Bei den unter § 811 Nr. 1, 5 und 6 ZPO fallenden Gegenständen kommt allerdings gem. § 811a ZPO eine so genannte Austauschpfändung in Betracht, d.h. die Gegenstände sind pfändbar, wobei im Falle der Wegnahme des Gegenstandes dem Schuldner ein billigerer Austauschgegenstand zu überlassen ist (Beispiel: billiges Edelstahl-Besteck im Austausch gegen Silberbesteck). Die Austauschpfändung ist erst statthaft, wenn sie vom Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers durch Beschluss für zulässig erklärt worden ist (§ 811a Abs. 2 S. 1 ZPO). Sofern allerdings mit einer Zulassung der Austauschpfändung durch das Gericht zu rechnen ist, kann der Gerichtsvollzieher bereits vor der Entscheidung des Gerichts eine so genannte vorläufige Austauschpfändung gem. § 811b ZPO (unter Modul O) vornehmen. Die Austauschpfändung kann auch dadurch bewirkt werden, dass dem Schuldner statt eines Ersatzstückes ein Geldbetrag zur Selbstbeschaffung eines Ersatzstückes zur Verfügung gestellt wird oder aber, wenn der Gläubiger über entsprechende Mittel nicht verfügt, nach der Versteigerung aus dem Erlös ein Geldbetrag für die Ersatzbeschaffung an den Schuldner gezahlt wird. Die Art und Weise der Durchführung der Austauschpfändung (Ersatzstück, Geldbetrag zur Beschaffung eines Ersatzstückes, etc.) ist rechtzeitig zu beantragen.

 

Rz. 46

Muster 1: Antrag auf Austauschpfändung:

 

Muster: Antrag auf Austauschpfändung:

 
Rechtsanwalt Franz Haupt

Adresse
Berlin, den _________________________

Amtsgericht

Vollstreckungsgericht

Adresse

Schmidt ./. Meier (hier: Angabe eines Langrubrums)

Antrag auf Austauschpfändung

Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei füge ich

– eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Landesgerichts _________________________

und

beantrage

namens und in Vollmacht des Gläubigers

– gem. § 811a ZPO die Austauschpfändung des dem Schuldner Meier gehörenden schwarzen Flügels der Marke Steinway, Registrierungsnummer 1354692, mit der Maßgabe zuzulassen, dass dem Schuldner der zur Ersatzbeschaffung erforderliche Geldbetrag in Höhe von 2.500,00 EUR aus dem Versteigerungserlös ausgehändigt wird.

Begründung:

Der Schuldner ist von Beruf freischaffender Pianist. Vorbezeichneter Konzertflügel ist zweieinhalb Jahre alt und hat einen Anschaffungspreis von ca. 40.000,00 EUR. Ein Versteigerungserlös in Höhe von ca. 30.000,00 EUR ist nach Auskunft des Gerichtsvollziehers zu erwarten. Nach schriftlich eingeholter Auskunft des Musikhauses X in Berlin gibt es bereits ab einem Preis von ca. 2.500,00 EUR Klaviere, so dass es dem Schuldner durch die Ersatzbeschaffung weiterhin möglich sein wird, Klavier zu üben und damit insoweit die Voraussetzungen für seine berufliche Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Der Gläubiger ist bereit, bereits vor der Versteigerung den zur Ersatzbeschaffung erforderlichen Betrag Zug-um-Zug gegen Pfändung des Konzertflügels durch den Gerichtsvollzieher zur Verfügung zu stellen.

Franz Haupt

Rechtsanwalt

– Anlage –

 

Rz. 47

Es gibt auch die Möglichkeit, dass an sich unpfändbare Gegenstände des § 811 Abs. 1 Nr. 1, 4, 57 ZPO dann gepfändet werden können, wenn ein Verkäufer wegen einer durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Geldforderung aus ihrem Verkauf vollstreckt, § 811 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes ist durch Urkunden nachzuweisen, § 811 Abs. 2 S. 2 ZPO. Meistens befindet sich ein entsprechender Hinweis auf dem Kaufvertrag wie z.B.: "Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum des Verkäufers."

 

Beispiel:

Gerichtsvollzieher Stark möchte beim Schuldner Schmidt ein Auto pfänden. Schuldner Schmidt wendet gegen die Pfändung ein, dass er mit diesem Auto regelmäßig zur Arbeit fahren muss, da in der von ihm bewohnten einsamen Gegend kein Bus fährt. Das Auto hatte Schmidt vor 1 ½ Jahren unter Eigentumsvorbehalt bei der Autohaus Müller GmbH gekauft. Der Kaufpreis wurde nie entrichtet, so dass ...

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