1. Typischer Sachverhalt

 

Rz. 12

Z, geb. 1960, war zuletzt bis 2017 als Kundendienstbetreuer beschäftigt. Danach war er eineinhalb Jahre arbeitsunfähig (§ 48 SGB V) und später arbeitslos gemeldet. Er klagt über Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule sowie der Arme, der übrigen Wirbelsäule und im Magen-Darm-Bereich. Nach einem Heilverfahren im Jahr 2018 beantragte er Versichertenrente wegen Erwerbsminderung. Im Klageverfahren wurden orthopädische, internistische und neurologische Gutachten eingeholt, die eine vollschichtige Leistungsfähigkeit attestierten. Klage und Berufung blieben erfolglos. Den in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 31.5.2020 gestellten Antrag des Klägers, ein psychologisches Gutachten zur Leistungsfähigkeit einzuholen, wies das LSG als unbeachtlich in den Entscheidungsgründen zurück; Gründe für die Zulassung der Revision lägen nicht vor.

2. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 13

Lässt das LSG in dem Urteil die Revision nicht zu, kann Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden. Die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt einen Monat, die Begründungsfrist zwei Monate nach Zustellung, § 160a Abs. 1 SGG. Die Begründungsfrist kann einmal auf einen vor Ablauf gestellten begründeten Antrag bis zu einem Monat verlängert werden. Weitere Verlängerung ist ausgeschlossen. Soweit der Kläger selbst innerhalb der Beschwerdefrist einen vollständigen PKH-Antrag eingereicht hat, gewährt das BSG nach Entscheidung über PKH Wiedereinsetzung. Das BSG stellt an die Begründung – ebenso wie die anderen Bundesgerichte – hohe Anforderungen.[25] Bejaht das BSG einen Verfahrensfehler gem. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG, kann es im Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, § 160a Abs. 5 SGG. Im Normalfall, in dem die Nichtzulassungsbeschwerde kaum oder keine Aussicht auf Erfolg verspricht, muss der Kläger unabhängig von diesem Rechtsmittel u.U. eine neue Entscheidung gem. § 44 SGB X bei dem Rentenversicherungsträger beantragen und klären, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen (freiwillige Beiträge gem. § 241 SGB VI; fortdauernde Arbeitslosmeldung ggf. auch ohne Leistungsbezug).

Erwerbsgemindert i.S.d. § 43 SGB VI ist auch, wer sich nicht mehr auf andere Tätigkeiten umstellen kann. Wer die "Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit" im Einzelnen zu beurteilen hat (Psychiater oder Psychologe), ist bis heute streitig. Es kommt dabei auch auf die Auswertung psychologischer Tests an.

[25] Z.B. BSG v. 25.11.2013 – B 13 R 339/13 B: Beweisantrag; ausführlich Plagemann in: Münchener AnwaltsHandbuch Sozialrecht, 5. Aufl. 2018, § 47.

3. Muster: Nichtzulassungsbeschwerde

 

Rz. 14

Muster 37.3: Nichtzulassungsbeschwerde

 

Muster 37.3: Nichtzulassungsbeschwerde

An das Bundessozialgericht

_____

In dem Rechtsstreit

Z, _____

Prozessbevollmächtigte: _____

gegen

Deutsche Rentenversicherung Hessen

– _____ –

legen wir namens und in Vollmacht des Klägers gegen das Urteil des LSG _____ vom 29.5.2020 – Az. _____ –

Nichtzulassungsbeschwerde

ein.

Wir beantragen,

die Revision gegen das Urteil des LSG _____ vom 29.5.2020 zu Az. _____, zugestellt am _____, zuzulassen.

Begründung:

I.

Nach Einholung verschiedener Gutachten beantragte der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG (vgl. Protokoll vom 29.5.2020):

"a) Einholung eines psychologischen Gutachtens mit Auswertung entsprechender psychologischer Tests;"

b) Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Dr. L zu dem letzten Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie Prof. Dr. D vom 27.9.2019 zur Klärung, ob und inwieweit die geklagten Beschwerden so stark psychosomatisch geprägt sind, dass dadurch die Fähigkeit des Klägers, sich an eine neue berufliche Situation anzupassen, nicht mehr vorhanden ist.“

Das LSG meint, durch die eingeholten Gutachten auf orthopädischem, internistischem und nervenfachärztlichem Gebiet sei der Sachverhalt ausreichend geklärt: "Eines weiteren Gutachtens, etwa auf psychosomatischem Fachgebiet, wie vom Kläger vorgeschlagen, bedurfte es daher nicht. Ebenso wenig war eine weitere Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L oder die Einholung eines psychologischen Gutachtens erforderlich" (Blatt 12 der angefochtenen Entscheidung des LSG).

II.

Die Revision ist gem. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG zuzulassen. Denn das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 103 SGG. Der Beweisantrag ist gemäß Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.5.2020 ausdrücklich aufrechterhalten worden. Das LSG ist diesen Beweisanträgen "ohne hinreichende Begründung" im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht gefolgt: Der Kläger erlebt die seit mehr als fünf Jahren geklagten Beschwerden im Bereich der HWS, der Arme, der LWS sowie des Magen-Darm-Bereiches so stark, dass er deshalb nicht mehr in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Schon 2017 hat der Sachverständige Dr. T (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) beim Kläger eine neurotische Fehlentwicklung mit hypochondrischen Zügen festgestellt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Prof. Dr. D.

Das LSG hat bei d...

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