1. Typischer Sachverhalt

 

Rz. 35

B ist schwerbehindert. Mit Bescheid vom 25.3.2020 hatte das Versorgungsamt verschiedene Behinderungen festgestellt, darunter eine schwere Arthrose beider Daumen. Der GdB wurde auf 70 festgesetzt. Auf einen Verschlimmerungsantrag des B wurde mit Bescheid vom 10.1.2021 als weitere Behinderung anerkannt: Gonarthrose beidseitig. Der Gesamt-GdB wurde jedoch nicht erhöht. Der Rechtsanwalt legte für B hiergegen Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens fanden drei persönliche Besprechungen zwischen B und seinem Rechtsanwalt statt. Zudem wurden mehrere Telefonate geführt. Der Rechtsanwalt reichte insgesamt vier ausführliche Schriftsätze sowie zusätzlich Befundunterlagen und ein Privatgutachten auf orthopädischem Fachgebiet ein. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Fingergelenke eine Polyarthrose aufwiesen, eine Arthrose im Kniegelenk festzustellen und der GdB mit 80 zu bemessen sei. In seinem vierten Schriftsatz forderte der Rechtanwalt das Versorgungsamt unter Bezugnahme auf dieses Gutachten auf, die Rechtsauffassung zu überdenken und den Anspruch des Widerspruchsführers anzuerkennen. Daraufhin half das Versorgungsamt dem Widerspruch ab und erhöhte den GdB.

2. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 36

In sozialrechtlichen Angelegenheiten gem. § 183 SGG wird nicht nach dem Gegenstandswert abgerechnet, sondern es sind Betragsrahmengebühren gem. §§ 3 Abs. 1, 14 RVG anzusetzen. Der Rechtsanwalt bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG die Rahmengebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Auch kann ein Haftungsrisiko des Anwalts nach § 14 Abs. 1 S. 2 RVG bei der Bemessung herangezogen werden.[77]

Ein Anspruch auf Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren besteht gem. § 63 SGB X regelmäßig nur, wenn der Widerspruch erfolgreich und die Inanspruchnahme eines Anwalts notwendig war. Eine im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren (z.B. Antragsverfahren) entstandene Geschäftsgebühr kann nicht nach § 63 SGB X erstattet werden.[78]

Für die anwaltliche Vertretung im Widerspruchsverfahren[79] kann neben einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 RVG-VV eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1002 i.V.m. 1005 RVG-VV entstehen. Eine Terminsgebühr entsteht nicht. Zusätzlich sind Auslagen nach Nrn. 7000 ff. RVG-VV und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 RVG-VV in Rechnung zu stellen. Die Geschäftsgebühr beträgt im außergerichtlichen Verfahren nach Nr. 2302 RVG-VV 60 EUR bis 768 EUR; die Mittelgebühr beträgt 414 EUR. Der Rechtsanwalt kann jedoch eine Gebühr in Höhe von mehr als 359 EUR nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr, Anm. S. 2 zu Nr. 2302 RVG-VV). War der Rechtsanwalt im Verwaltungsverfahren bereits tätig, so wird die Hälfte der für das Verwaltungsverfahren gezahlten Gebühr, aber nicht mehr als 207 EUR auf die Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren angerechnet (Vorbem. 2.3 Abs. 4 RVG-VV). Eine Erledigungsgebühr entsteht nicht bereits durch die bloße Einlegung und Begründung des Widerspruchs oder durch die bloße Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs.[80] Nach Auffassung des BSG ist vielmehr eine "qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung" erforderlich. Die Vorlage von Beweismitteln, die letztlich zur Erledigung der Angelegenheit führen, kann die Erledigungsgebühr auslösen.[81] Nach Nr. 1005 RVG-VV entsteht die Einigungs- oder Erledigungsgebühr in Höhe der Geschäftsgebühr.

[77] Eine Überschreitung um bis zu 20 % wird dabei in der Regel als nicht unbillig angesehen: vgl. BSG AGS 2010, 233.
[78] Vgl. LSG Hessen v. 19.3.2008 – L 4 SB 51/07, jurisPR-SozR 13/2008 m. Anm. Sonnhof.
[79] Grundlegend zu Kosten im Widerspruchsverfahren: BSG v. 1.7.2009 – B 4 AS 21/09 R, ASR 2010, 49; Anm. Schafhausen: jurisPR-SozR 10/2010.

3. Muster: Kostenantrag nach § 63 SGB X

 

Rz. 37

Muster 37.10: Kostenantrag nach § 63 SGB X

 

Muster 37.10: Kostenantrag nach § 63 SGB X

An das Versorgungsamt

_____

betr. Az. _____

Nach § 63 SGB X beantragen wir festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich war und Kosten zu erstatten sind.

Unsere Gebühren errechnen sich wie folgt:

 
Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 RVG-VV 359,00 EUR
Erledigungsgebühr nach Nrn. 1002, 1005 RVG-VV 359,00 EUR
30 Kopien aus der Verwaltungsakte gem. Nr. 7000 Ziff. 1a RVG-VV 15,00 EUR
10 Farbkopien aus der Verwaltungsakte gem. Nr. 7000 Ziff. 1a RVG-VV 10,00 EUR
Kommunikationspauschale gem. Nr. 7002 RVG-VV 20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 RVG-VV 144,97 EUR
insgesamt 907,97 EUR

Die anwaltliche Tätigkeit war umfangreich, da mehrere Besprechungen mit dem Widerspruchsführer stattfanden. Es wurden insgesamt vier mehrere Seiten umfassende Schriftsätze eingereicht. Dabei wurde neben den rechtliche...

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