Rz. 42

Nach § 638 Abs. 2 RVO a.F. bestand für das Gericht die Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens bis zum Vorliegen der bestandskräftigen Entscheidung der Versicherungsbehörde.[39] Die Vorschrift wurde mit Wirkung vom 1.1.1983 gestrichen, weil sie entbehrlich erschien. Nachfolgend ergab sich ungeachtet dessen nach Maßgabe des § 148 ZPO die Möglichkeit der Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit.

 

Rz. 43

Die Neuregelung der gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen des SGB VII hat gleichwohl Bestimmungen über die Aussetzungen normiert. Nach § 108 Abs. 2 SGB VII hat (nicht "kann", wie in § 148 ZPO festgelegt) das Gericht unter den dort genannten Voraussetzungen sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung im Sinne des § 108 Abs. 1 SGB VII ergangen ist. Falls ein solches Verfahren, aus welchen Gründen auch immer, nicht eingeleitet ist, hat das Gericht gleichwohl auszusetzen. Allerdings bestimmt es für die Durchführung eines vorgreiflichen Verfahrens eine Frist, nach deren fruchtlosem Ablaufen es den Rechtsstreit weiterführen kann. Andererseits ist eine Aussetzung wegen unterlassener Beteiligung des Schädigers am Verwaltungsverfahren "ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie eine bloße Förmelei wäre". Insoweit ist auf die im Einzelfall gegebene Interessenlage der Beteiligten abzustellen.[40]

 

Rz. 44

Der Aussetzung bedarf es indessen nicht, wenn es sich nur um die Prüfung handelt, ob bestehende Ansprüche gemäß § 116 SGB X unter dem Gesichtspunkt der Kongruenz übergangsfähig sind, ob also der Kläger zur Erhebung der Ansprüche noch aktiv legitimiert ist.[41]

 

Rz. 45

Der Aussetzung des Verfahrens bedarf es auch im Verfahren über den Anspruchsgrund. Weil die §§ 108, 109 SGB VII und § 118 SGB X verhindern sollen, dass die Zivilgerichte anders über einen Sozialleistungsanspruch entscheiden als die hierfür an sich zuständigen Leistungsträger oder Gerichte, soll der im Wege des Regresses in Anspruch genommene Schädiger im Verfahren vor dem Zivilgericht deshalb grundsätzlich nicht Einwendungen gegen die Aktivlegitimation des klagenden Sozialversicherungsträgers erheben können.[42]

 

Rz. 46

Nur im Verfahren der einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes besteht die Pflicht zur Aussetzung nicht. Vielmehr muss das angerufene Gericht selbst über die der Bindung unterliegenden Tatsachen aufgrund summarischer Würdigung des Vorbringens entscheiden. Der Grund dafür liegt in der Eilbedürftigkeit dieser Verfahren.

[39] Dazu OLG Düsseldorf VersR 1954, 86.
[40] Hierzu BGH, Urt. v. 30.4.2013 – VI ZR 155/12, VersR 2013, 862 = MDR 2013, 841 = NJW 2013, 2031 = UV-Recht Aktuell 2013, 599 m.w.N.
[41] OLG München, Urt. v. 9.6.1959 – 5 U 608/59, VersR 1960, 66.
[42] BGH, Urt. v. 19.5.2009 – VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 = VersR 2009, 1074 = NJW 2009, 3235 = MDR 2009, 925.

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