Rz. 42

Ist das Urteil nach § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar und ein Antrag auf Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht gestellt worden, so lässt § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG gleichwohl in Anwendung von § 707 Abs. 1 und § 719 Abs. 1 ZPO noch eine nachträgliche Einstellung der Zwangsvollstreckung zu.

 

Rz. 43

Danach ist eine nachträgliche Einstellung der Zwangsvollstreckung noch möglich, wenn:

die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist (§ 707 Abs. 1 ZPO),
die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt worden ist (§ 707 Abs. 1 ZPO),
der Rechtsstreit nach einem Vorbehaltsurteil fortgesetzt wird (§ 707 Abs. 1 ZPO),
die Gehörsrüge nach § 78a ArbGG erhoben wurde (§ 707 Abs. 1 ZPO, § 78a Abs. 7 ArbGG),
gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt wurde (§ 719 Abs. 1 ZPO),
gegen ein Versäumnisurteil Einspruch eingelegt wurde (§ 719 Abs. 1 ZPO).
 

Rz. 44

Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG ist eine Einstellung der Zwangsvollstreckung jedoch nur möglich, wenn dem Schuldner durch die Zwangsvollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht[40] (für die Frage, wann dies der Fall ist, kann auf die vorstehenden Darlegungen verwiesen werden, siehe Rdn 31 ff.). Auf die weiteren, in §§ 707 Abs. 1, 719 ZPO genannten Voraussetzungen kommt es mithin nicht an.

 

Rz. 45

 

Praxishinweis

Beantragt ein Arbeitgeber, der in Kenntnis einer Forderung gegen seinen Arbeitnehmer einen Vergleich geschlossen hat, in dem diese Forderung nicht ausdrücklich erwähnt worden ist, die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus diesem Vergleich, weil er die Gegenforderung zur Aufrechnung gestellt hat, so kommt die Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auch nach § 765a Abs. 1 ZPO in der Regel nicht in Betracht.[41]

 

Rz. 46

Auch hier ist umstritten, ob bei der Beurteilung der Frage, ob ein nicht zu ersetzender Nachteil anzunehmen ist, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels, d.h. insbesondere eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil oder der Berufung gegen ein Endurteil, zu berücksichtigen sind. Ist nach dem Sach- und Streitstand ein Erfolg des Rechtsmittels mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, so kann die Zwangsvollstreckung keinen nicht mehr zu ersetzenden Nachteil erbringen, sodass es jedenfalls in dieser Konstellation gerechtfertigt ist, auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Hierauf wird der Bevollmächtigte des Gläubigers hinzuweisen haben. Nachdem in dieser Konstellation das Rechtsmittelgericht die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels beurteilt, bestehen allerdings auch im Übrigen keine Bedenken, den Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels mit zu berücksichtigen.

 

Rz. 47

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch begründeten Beschluss, §§ 707 Abs. 2 S. 1, 719 Abs. 3, 128 Abs. 4 ZPO. Dem Gläubiger ist zuvor rechtliches Gehör zu gewähren. Nach §§ 53 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 6, 64 Abs. 7 ArbGG erfolgt die Entscheidung ohne die ehrenamtlichen Richter.

 

Rz. 48

Umstritten war in der Vergangenheit, ob die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG auch gegen Sicherheitsleistung erfolgen kann.

 

Rz. 49

Nach einer Auffassung schränkt § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG zwar die Voraussetzungen ein, unter denen eine Einstellung erfolgen kann und begrenzt diese auf die Voraussetzung des nicht zu ersetzenden Nachteils. Damit sei aber keine Einschränkung der Möglichkeit verbunden, unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 707, 719 ZPO die Einstellung mit oder ohne Sicherheitsleistung anzuordnen.[42] Nach anderer und wohl überwiegender Auffassung[43] ist § 62 Abs. 1 ArbGG das System der Sicherheitsleistung wesensfremd,[44] sodass eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder die Anordnung, dass diese nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf, nicht in Betracht kommt.

 

Rz. 50

Diese Streitfrage hat der Gesetzgeber im Jahre 2008 entschieden und § 62 Abs. 1 S. 4 und 5 ArbGG angefügt.[45] Danach erfolgt im Sinne der bisher herrschenden Auffassung die Entscheidung nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG ohne Sicherheitsleistung. Die Entscheidung ergeht im Beschlusswege und ist nach § 62 Abs. 1 S. 5 ArbGG nicht anfechtbar.

 

Rz. 51

 

Praxishinweis

Anders verhält es sich bei der Einstellung der Zwangsvollstreckung im Zusammenhang mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO oder der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO. Hier erfolgt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 769, 771 Abs. 3 ZPO und kann danach auch gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden.[46]

 

Rz. 52

Schon in der Vergangenheit bestand Einigkeit, dass gegen die Ablehnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG kein Rechtsmittel gegeben ist. Denn gem. § 62 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 2 S. 2 ZPO ist der Beschluss des LAG als Berufungsgericht unanfechtbar.[47] § 62 Abs. 2 ArbGG verweist auf diese Vorschriften. Nach § 719 Abs. 1 S. 1 ZPO gilt § 707 ZPO für die Einstellung ...

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