Rz. 20

Ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, darf die Zwangsvollstreckung hieraus nur beginnen, wenn das Urteil vorläufig vollstreckbar ist. Bei Prozessvergleichen oder Anwaltsvergleichen stellt sich diese Frage nicht, da diese mit ihrem Abschluss oder spätestens mit dem Ablauf einer Widerrufsfrist bestandskräftig und damit uneingeschränkt vollstreckbar sind.

 

Rz. 21

Für Urteile ordnet § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG an, dass Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, grundsätzlich kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar sind. Über § 64 Abs. 7 ArbGG gilt dies in gleicher Weise für die Urteile der Landesarbeitsgerichte. Diese Regelung geht den §§ 708 ff. ZPO vor. Insoweit bedarf es – anders als sonst in zivilgerichtlichen Urteilen – keines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im arbeitsgerichtlichen Urteil.

 

Rz. 22

 

Praxishinweis

Das BAG hat ausdrücklich klargestellt, dass zu diesen kraft Gesetzes für vorläufig vollstreckbaren Urteilen auch solche auf Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG gehören.[12] Davon ist allerdings die Frage zu unterscheiden, ob der Anspruch schon vor Rechtskraft fällig ist, wenn die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 2 KSchG erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erfolgt und die Abfindung damit auch erst zu diesem Zeitpunkt fällig wird (hierzu im Einzelnen siehe Rdn 104 ff.). Ein vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vereinbarter Abfindungsbetrag wird, sofern keine anderweitige Abrede getroffen ist, erst zum Zeitpunkt der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.[13]

 

Rz. 23

Diese kraft Gesetzes angeordnete vorläufige Vollstreckbarkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils kann nach § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG allerdings durch das Arbeitsgericht ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss ist an zwei Voraussetzungen geknüpft:

Der Schuldner muss einen entsprechenden Antrag stellen.
Der Schuldner muss glaubhaft (§ 294 ZPO) machen, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt.
 

Rz. 24

Der Antrag muss bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden und ist dann im Urteil zu bescheiden.

 

Rz. 25

 

Praxishinweis

Wurde der Antrag gestellt, jedoch tatsächlich im Urteil nicht beschieden, so muss der Rechtsanwalt nach §§ 319 ff. ZPO, insbesondere § 321 ZPO, hiergegen vorgehen:

Wurde der Antrag in den Entscheidungsgründen abgehandelt, jedoch in den Tenor nicht aufgenommen, kann ein Antrag auf Berichtigung einer offensichtlichen Unrichtigkeit gestellt werden, § 319 ZPO. Zum Teil wird zugleich ein Antrag auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO verlangt. Da dieser Antrag binnen einer Frist von zwei Wochen zu stellen ist, sollte dem Grundsatz des sichersten Wegs folgend auch ein Berichtigungsantrag nach § 319 ZPO in der Zwei-Wochen-Frist gestellt und dieser hilfsweise auch auf § 321 ZPO gestützt werden.[14]
Wird im Urteil schon nicht dargestellt, dass der Antrag gestellt wurde, ist ein kombinierter Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO i.V.m. einem Antrag auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist zu stellen.[15]
 

Rz. 26

Ist ein Antrag auf Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht gestellt worden, ist das Arbeitsgericht für einen nachträglichen Antrag nicht mehr zuständig, wenn gegen das Urteil Berufung eingelegt wurde. Hier hat dann das Berufungsgericht nach § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG i.V.m. § 719 Abs. 1 ZPO über einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zu befinden (hierzu siehe Rdn 42 ff.).

 

Rz. 27

Stellt das Arbeitsgericht auf einen solchen nachträglichen Antrag gleichwohl die Zwangsvollstreckung ein, so hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit auf die Beschwerde des Gegners dieser Beschluss – unbeschadet der Unanfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 62 Abs. 1 ArbGG – aufgehoben.[16]

 

Rz. 28

 

Praxishinweis

Schon seit dem 1.1.2005 ist eine Beschwerde des Gegners allerdings nicht mehr statthaft. Vielmehr ist nach dem zum 1.1.2005 eingeführten § 78a ArbGG die Gehörsrüge innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, § 78a Abs. 2 S. 1 ArbGG, zu erheben. Dabei ist erstens darzulegen, dass ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, wobei die frühere außerordentliche Beschwerde außer Betracht bleiben muss. Zweitens ist darzustellen, dass die Partei durch die angefochtene Entscheidung in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt wurde. Als Drittes ist darzulegen, dass bei entsprechender Berücksichtigung des Vorbringens eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht hätte erfolgen dürfen.

 

Rz. 29

Anders als nach §§ 708 ff. ZPO ist es im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht möglich, die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung auszuschließen oder die vorläufige Vollstreckbarkeit entgegen § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG nur gegen Sicherheitsleistung zuzulassen. Der Antrag des Schuldners kann also nur dahin gehen, die vorläufige Vollstreckbarkeit gänzlich auszuschließen. Der Gläubiger kann lediglich beantragen, den Antrag zurückzuweisen, weil die genannten ...

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