Rz. 13

§ 80 OWiG behandelt mehrere Fallgruppen. Die nachfolgende Erörterung beschränkt sich auf die drei für die Praxis wichtigsten, nämlich die Verurteilung:

zu einer Geldbuße zwischen 101 EUR und 250 EUR,
zu nicht mehr als 100 EUR Geldbuße sowie
unter Verletzung des rechtlichen Gehörs.

I. Verurteilung zu mehr als 100 EUR und höchstens 250 EUR

1. Formelles und materielles Recht

 

Rz. 14

Der Betroffene, der zu einer im genannten Rahmen liegenden Geldbuße verurteilt wurde, kann mit der Rechtsbeschwerde die Verletzung sowohl des formellen als auch des materiellen Rechts geltend machen. Insoweit besteht kein Unterschied zur Rechtsbeschwerde des § 79 OWiG.

2. Zulassungsgrund

 

Rz. 15

Der entscheidende Unterschied zur Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG besteht darin, dass ein Rechtsverstoß allein noch nicht zum Erfolg der Rechtsbeschwerde führt. Der Beschwerdeführer muss vielmehr noch einen besonderen Rechtsbeschwerdegrund geltend machen können, d.h., er muss begründen können, warum die von ihm angesprochene Rechtsfrage einer Klärung durch das Oberlandesgericht bedarf.

 

Rz. 16

Einer Entscheidung durch das Oberlandesgericht bedarf eine Rechtsbeschwerde indessen nur, wenn sie die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ermöglicht (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG; OLG Düsseldorf NZV 2010, 262). Die Zulassungsrechtsbeschwerde dient nämlich nicht der Einzelfallgerechtigkeit, weshalb es auch nicht darauf ankommt, ob die Rechtsbeschwerde im Ergebnis Erfolg hätte (OLG Düsseldorf DAR 2000, 176; OLG Oldenburg DAR 2013, 512).

a) Fortbildung des Rechts

 

Rz. 17

Das Recht wird fortgebildet, wenn bei der Auslegung von materiellem bzw. Verfahrensrecht oder bei der rechtschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen und zu festigen sind (BGHSt 24, 15; OLG Düsseldorf NZV 2001, 47).

b) Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

 

Rz. 18

Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung nur erforderlich, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung, vor allem der des jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirks, entstehen würden. Besteht dagegen zu der aufgeworfenen Frage bereits eine hinreichend gefestigte Rechtsprechung oder handelt es sich lediglich um einen im Zusammenhang mit tatsächlichen Feststellungen begangenen Fehler des Richters (OLG Oldenburg DAR 2016, 39), wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Nach früherer Rechtsprechung (OLG Oldenburg DAR 2013, 512) sollte die Rechtsbeschwerde auch dann nicht zugelassen werden, wenn allein aufgrund eines Hinweises im Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichtes davon ausgegangen werden konnte, dass der Amtsrichter den gleichen Fehler nicht nochmals wiederhole. Jetzt lässt die Rechtsprechung die bloße Vermutung nicht genügen, eine entsprechende Annahme muss vielmehr auf konkrete Anhaltspunkte gestützt werden können (BVerfG StV 2017, 729; OLG Oldenburg DAR 2019, 161).

 

Rz. 19

Eine sich nur auf einen Einzelfall auswirkende Fehlentscheidung gefährdet dagegen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung grundsätzlich nicht, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (BGHSt 24, 15; OLG Düsseldorf StraFo 1997, 215).

 

Rz. 20

Nicht einmal Verfassungsverstöße, wie die Versagung des rechtlichen Gehörs durch Nichtgewährung des letzten Wortes, müssen eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung darstellen (OLG Düsseldorf DAR 1997, 409). Eine solche Rechtsbeschwerde könnte übrigens ohnehin nur zulässig sein, wenn in der Begründung vorgetragen wird, was der Betroffene in seinem letzten Wort über seine im Urteil verwertete Einlassung und das sonstige Verteidigungsvorbringen hinaus vorgebracht hätte (BayObLG NJW 1992, 1907; OLG Düsseldorf NZV 1997, 531; OLG Karlsruhe DAR 2005, 694).

II. Verurteilung zu nicht mehr als 100 EUR

 

Rz. 21

Im Vergleich zu der zuvor behandelten Fallgruppe wird hier die Möglichkeit, eine Rechtsbeschwerde einzulegen, in zwei wesentlichen Punkten weiter eingeschränkt: Verstöße gegen formelles Recht können generell nicht gerügt werden und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist kein Zulassungsgrund.

1. Formelles Recht

 

Rz. 22

§ 80 Abs. 2 OWiG schließt in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG die Möglichkeit aus, Verstöße gegen Verfahrensrecht zu rügen, mögen diese auch noch so gravierend sein: "Die Rechtsbeschwerde wird wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht zugelassen..., wenn gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als 100 EUR festgesetzt worden ist."

 

Rz. 23

 

Tipp: Verfahrensvoraussetzung unklar

Ist dagegen die Frage im Streit, ob die Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ausgeschlossen, so z.B., wenn streitig ist, ob ein Bußgeldbescheid wirksam ist (BayObLG NZV 1992, 498) oder ob ein Verstoß gegen den Grundsatz "ne bis in idem" vorliegt (OLG Stuttgart NZV 1994, 123).

2. Materielles Recht

 

Rz. 24

Verstöße gegen materielles Recht können ohne Beschränkung gerügt werden.

3. Zulassungsgrund

 

Rz. 25

Erforderlich ist aber auch hier ein besonderer, zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zwingender Grund: Als Zulassungsgrund kommt dabei nur die Fortbildung des Rechts infrage. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung dagegen braucht bei so geringen Geldbußen nicht gesichert zu werden – § 80 Abs. 2 Hs. 2 OWiG: "...

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