Rz. 60

Die Einführung der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) hat das Haager Testamentsformabkommen grundsätzlich nicht berührt. Dieses wird vorrangig vor der EuErbVO gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO angewandt.[133] Unterliegt die letztwillige Verfügung jedoch nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des Haager Testamentsformabkommens, so unterliegt sie Art. 27 EuErbVO.[134] Im Haager Abkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961[135] findet sich keine Erläuterung darüber, was zur "Form" einer letztwilligen Verfügung dazu gehört. Die wohl h.M. legt den Begriff nach der lex fori, also dem jeweiligen Recht des Gerichtsstands aus.[136] Aus deutscher Sicht zählen hierzu alle Regeln, die der Beweisbarkeit, Authentizität und Originalität des Erblasserwillens dienen und dazu eine bestimmte äußere Gestaltung der letztwilligen Verfügung vorschreiben.[137] Abweichend hiervon gilt für das Verbot der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments zunächst das hypothetische Erbstatut.[138] Versteht das hierauf anzuwendende Landesrecht das Verbot der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments als Sachverbot, ist das Haager Testamentsformübereinkommen nicht anzuwenden, da das Landesrecht dieses Verbot nicht den Formerfordernissen zuordnet. Kommt das Landesrecht jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich um ein Formverbot handelt (z.B. Frankreich), so ist das Haager Testamentsformübereinkommen zu beachten.[139]

 

Rz. 61

Das Haager Testamentsformübereinkommen kennt zehn alternative Anknüpfungsmöglichkeiten. Dabei ergeben sich acht Möglichkeiten aus Art. 1 direkt:

1. Ort der letztwilligen Verfügung,
2. Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung,
3. Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt des Todes,
4. Wohnsitz des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung,
5. Wohnsitz des Erblassers im Zeitpunkt des Todes,
6. gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung,
7. gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes,
8. lex rei sitae des unbeweglichen Vermögens.

Darüber hinaus ergeben sich zwei weitere Anknüpfungspunkte gem. Art. 3 des Übereinkommens i.V.m. Art. 26 Abs. 1 S. 1 EGBGB:[140]

9. tatsächliches Erbstatut des Erblassers und
10. hypothetisches Erbstatut.[141]
[133] Erman/Stürner, EuErbVO, Art. 75 Rn 1.
[134] MüKo/Dutta, HTestformÜ, Vor Art. 1 Rn 6.
[135] BGBl II 1965, 1144 (Inkrafttreten für Deutschland am 1.1.1966).
[136] Staudinger/Dörner (2007), Vor Art. 25 EGBGB Rn 84.
[137] Staudinger/Dörner (2007), Vor Art. 25 EGBGB Rn 85.
[138] Schlitt/Müller/Lehmann, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 14 Rn 107.
[139] Sudhoff/Scherer, Unternehmensnachfolge, § 2 Rn 28.
[140] MüKo/Dutta, TestformÜ Art. 1 Rn 5; Palandt/Thorn, Art. 27 EuErbVO Rn 1 ff.
[141] Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, Rn 1128.

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